Länder gegen härtere Steuerprüfung: Finanzämter verschenken Milliarden

Die Bundesländer zieren sich vor härteren Steuerprüfungen. Trotz hoher finanzieller Verluste fehlt es wohl an Personal und am politischen Willen.

Die hohe Steuerhinterziehung verhindere die Senkung der Steuern, wettert Steinbrück. Bild: dpa

HAMBURG taz Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) klingt wild entschlossen: "Wenn es nicht ein solches Ausmaß an Steuerhinterziehung in Deutschland gäbe, könnte ich die Steuersätze senken." Dazu wird es bis auf weiteres nicht kommen. Denn die Überprüfung von Steuererklärungen ist in Deutschland, anders als in Frankreich, weitgehend Ländersache - und nur wenige Bundesländer sind an schärferen Kontrollen interessiert, da sie potenzielle Investoren mit Steuerüberprüfungen nicht abschrecken wollen.

Nur etwa die Hälfte der Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen werden versteuert, hat die Wirtschaftspolitische Abteilung der Gewerkschaft Ver.di herausgefunden. Trotzdem prüfen die Behörden nur selten die Angaben ihrer Kunden nach. Wenn sie es aber tun, finden Steuerprüfer und -prüferinnen "regelmäßig Milliardenbeträge, die vor der Steuer versteckt wurden", addiert Ver.di-Volkswirt Michael Schlecht.

Dieses Milliardenloch kennen auch die Finanzverwaltungen. Nach den offiziellen Personalbedarfsrechnungen sollen etwa 3.000 Beschäftigte allein bei der Betriebsprüfung fehlen. Dabei kassierten die 13.500 Betriebsprüfer 2006 zusätzliche Steuern in Höhe von 14 Milliarden Euro ein. Hinzu kamen 1,4 Milliarden aus der Überprüfung der Mehrwertsteuer. Jede Prüferin oder Prüfer brachte dem Fiskus also eine Zusatzeinnahme von einer satten Million Euro ein.

Selbst die Angaben von Millionären müssen die Sachbearbeiter meistens ungeprüft "abhaken", warnt der Bundesrechnungshof. Lediglich jede zehnte Steuererklärung von Einkommensmillionären wird wohl in diesem Jahr näher begutachtet werden. Dennoch fehlt es weiterhin an Personal. Unterbesetzt ist ebenso die Steuerfahndung. Zudem arbeiten die Finanzbehörden der Bundesländer mit unterschiedlichen Strukturen, Standards und Computersystemen.

Auf insgesamt zwölf Milliarden Euro schätzt Ver.di das Steuerloch durch den lückenhaften Steuervollzug - Jahr für Jahr. Aber warum verzichten Staat und Politik freiwillig auf das viele Geld? Zum einen aus kurzsichtigem Egoismus. "In manchen Bundesländern", so Ver.di-Experte Schlecht, "setzen Finanzminister lasche Kontrolle von Unternehmen sogar bewusst als Wirtschaftsförderung ein." Dazu kommt ein strukturelles Problem des bundesdeutschen Föderalismus. Der Länderfinanzausgleich belohnt eine lasche Steuererhebung, denn die Kosten dafür tragen die einzelnen Bundesländer, während die zusätzlichen Einnahmen in den Ausgleichstopf für ärmere Länder fließen.

Darum haben gerade große, reiche Bundesländer kaum Interesse am Ausbau der Steuerkontrollen. So wird in Bayern und Nordrhein-Westfalen nur halb so oft geprüft wie in Hamburg, Bremen oder Niedersachsen. "Besonders wirtschaftsstarke und große Länder weisen die geringste Prüfungsdichte auf", kritisiert der Bundesrechnungshof. So wurden in Nordrhein-Westfalen zum Jahresanfang 1.200 Beschäftigte der Steuerverwaltung in den vorzeitigen Ruhestand entlassen, kritisiert Dieter Ondracek, Vorsitzender der Deutschen Steuer-Gewerkschaft (DSTG). Die im Dienst Verbliebenen müssten nun die Arbeit der Ausgeschiedenen mit übernehmen.

Bund und Länder sollten ihren Steuervollzug straffen, fordert die Deutsche Steuer-Gewerkschaft. Dazu könnte das Bundeszentralamt für Steuern in Bonn die Betriebsprüfungen vereinheitlichen. Ver.di schlägt dagegen vor, bundesweit einheitliche Verwaltungsgrundsätze und Vollzugsziele festzulegen und die Länder stärker an den Gewinnen aus den Steuernachprüfungen zu beteiligen.

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