Die vermeintlichen Skandale der Bild: Fliegender Verdi-Chef in der Kritik

Frank Bsirske soll als Lufthansa-Aufsichtsrat für lau geflogen sein - während die Kollegen bei der Lufthansa streikten. Die "Bild" empört sich. Die FDP fordert den Rückzug des Verdi-Chefs.

Frank Bsirske kann machen, was er will. Irgendwer kritisiert ihn immer. Bild: ap

BERLIN taz Die Bild-Zeitung, die vor nicht allzu langer Zeit einer Dumping-Gewerkschaft im Postsektor freundliche Berichte schenkte, hat einen Skandal ausgemacht. Der Chef der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Frank Bsirske, macht Urlaub in der Ferienzeit - in der Verdi bis gestern auch die Lufthansa bestreikte, um höhere Löhne durchzusetzen.

Zudem soll er, der als Arbeitnehmervertreter stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender des Konzerns ist, laut Bild gratis - wie es dem Vizechef des Kontrollorgans zusteht - mit der Lufhansa erster Klasse in den Urlaub geflogen sein, und zwar am 8. Juli von Berlin über Frankfurt/Main nach Los Angeles; zurück soll es am 11. August gehen.

Angaben darüber, woher Bild diese Details hat, macht das Blatt nicht. Von der Gewerkschaft Verdi, die sich einen harten Arbeitskampf mit Bsirkes Fluggesellschaft lieferte, sicher nicht. Auf Anfrage bestätigte Verdi gestern lediglich, dass der Chef derzeit im Urlaub sei. Im übrigen habe er sich schon im Urlaub befunden, als die Urabstimmung für den Lufthansa-Streik lief. Im Gewerkschaftslager kann man ohnehin die Aufregung um die Absenz des Verdi-Chefs nicht nachvollziehen. Irgendwo werde immer über einen Tarifvertrag verhandelt, sagt ein Gewerkschaftsfunktionär. "Wenn Bsirske bei jeder Verhandlung immer Gewehr bei Fuß stehen müsste, könnte er nicht mehr auf's Klo gehen."

Ohnehin kann Bsirske machen, was er will - in der Kritik steht er immer. Ist er während des Lufthansa-Streiks nicht da, wird ihm wie jetzt Ignoranz vorgeworfen. Ist er da, heißt es, er gerate in Konflikt mit seiner Rolle als Gewerkschaftschef, der seinen Mitgliedern verpflichtet sei, und der als Aufsichtsrat, der dem Wohle des Unternehmens verpflichtet sei. So war es auch 2003, als Bsirske sich bei der Lufthansa einmischte - was ihm anschließend die Aktionäre übel nahmen und ihm auf der Hauptversammlung die Entlastung verweigerten.

Die Kritik zielt darauf, das deutsche System der Mitbestimmung - in dem Gewerkschafter Mitspracherecht in den Aufsichtsräten von Unternehmen genießen - in Frage zu stellen. FDP-Generalsekretär Dirk Niebel brachte diese Haltung zu Wochenbeginn auf den Punkt: "Ich frage mich, wie man auf zwei Hochzeiten tanzen kann. Wenn der grüne Gewerkschaftsfunktionär Bsirske den stellvertretenden Lufthansa-Aufsichtsratschef Bsirske wieder einmal bestreikt, muss man sich schon fragen, ob die Struktur der gewerkschaftlichen Mitbestimmung in den großen Unternehmen so noch zukunftsfähig ist".

Niebel fordert daher den Rückzug Bsirskes aus einem der beiden Posten. Zu Ende gedacht, hieße das: Ein Gewerkschafter könnte kein Aufsichtsrat mehr werden, da er im Streikfall in einen Interessenkonflikt geraten könnte. Als Arbeitnehmervertreter in Aufsichtsräten blieben dann nur noch gewerkschaftslose Beschäftigte übrig.

Vielleicht ist es ja das, was Bild und FDP wollen.

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