FCKW-freie Kühlschränke: Foron ging voran

Die größte Kühlschrankfabrik des Ostblocks sollte nach der Wende abgewickelt werden. Doch dann wurde Foron erster Hersteller FCKW- freier Geräte. Geschichte einer Revolution.

Das Bild zeigt die Endkontrolle der kältetechnischen Werte der Foron-Kühlschränke im Jahr 1996. Kurz danach übernahm die niederländische Atag N.V. die Firma. Heute sind die Produktionsanlagen stillgelegt. Bild: dpa

Albrecht Meyer glaubte daran, dass es klappen würde, auch wenn die ersten Versuche alle danebengingen. Er testete und prüfte, das war sein Job. Propan und Isobutan sollten ordentlich kühlen, ohne zu explodieren. Jeden Morgen fuhr Meyer mit dem Fahrrad zum Bahnhof in Wiesenbad, wartete auf den Zug, sah die nadelwaldigen Hügel des Erzgebirges vorbeiziehen, stieg in Scharfenstein aus, lief ans Ufer der Zschopau, wo sein Prüflabor lag, und testete und prüfte weiter.

Die DDR war gerade abgeschafft worden. Jetzt ging es darum, das schädliche FCKW in den Kühlschränken abzuschaffen. Der ehemals volkseigene Betrieb war wieder zur Deutschen Kühl- und Kraftmaschinen GmbH Scharfenstein geworden, alles unter Treuhand-Aufsicht. Von den 5.300 Arbeitern, die dem Ostblock ein Viertel seiner Kühlschränke geliefert hatten, waren noch ein paar hundert übrig. Albrecht Meyer, Ingenieur für Kältetechnik und Leiter der Abteilung Versuchsfeld, gehörte dazu. Er wollte im Frühjahr 1992 erst einmal Arbeitsplätze retten, nicht unbedingt die Umwelt.

Die Lage: Die DKK Scharfenstein war das größte Kühlschrank-Kombinat im Ostblock. Nach der Wende brach der Absatz drastisch ein. Von 800.000 produzierten Geräten im Jahr auf 200.000.

Die Chance: Ab 1995 durften in Deutschland nur noch FCKW-freie Kühlschränke produziert werden. Die DKK Scharfenstein und Greenpeace entwickelten das erste mit Kohlenwasserstoff kühlende Gerät.

Der Erfolg: Gegen den Widerstand von Treuhand und westdeutscher Kühlschrankindustrie brachte die in Foron umbenannte Firma aus dem Erzgebirge den Gas-Kühlschrank auf den Markt. Erst da zog die Konkurrenz nach.

Dass Meyer von seinem Labor mit den zehn Prüfräumen aus den ganzen bundesdeutschen Kühlschrankmarkt aufmischen und seinen FCKW-Ersatz zu einer Art FCKW-Ersatzstandard machen würde, das ahnte er da noch nicht. Ihm kam es eher wie ein Überlebenskampf vor, nicht wie der Beginn eines Siegeszugs.

Siebzehn Jahre später fährt Albrecht Meyer zu Hause am Esstisch mit der Hand über eine Reihe von Jahreszahlen, die er auf einem Blatt Papier notiert hat. Er ist seit 2007 in Rente, er hatte Zeit, die Sache nachzuverfolgen, gründlich. Es ist dann nämlich doch ein Siegeszug geworden. 1997 Kühlschränke mit Isobutan in der Europäischen Gemeinschaft. 1998 in Südamerika, zuerst Brasilien. 1999 in Asien, beginnend in China. 2005 sogar in den USA, General Electric. Meyers FCKW-Alternative gibt es jetzt fast auf der ganzen Welt.

Wenn man ihn mit einem Wort beschreiben müsste, wäre es: redlich. Sein Sächsisch ist breit. Er sagt "dabü" statt "tabu". Er wolle sich nicht loben. Meyer zieht die Decke glatt, auf der eine Vase mit gelben Blumen steht. Die hölzerne Wanduhr tickt. Es sei wohl seiner Sturheit zu verdanken, sagt er. Ein bisschen sicher auch dem Trotz. Die von "drieben", erzählt er, die dachten wohl: "Den Schrotthaufen machen wir jetzt perfekt." Das größte Kühlschrankwerk im Ostblock würde AEG, Bosch-Siemens-Hausgeräte und Liebherr schon keine Konkurrenz machen. Die Technik war veraltet, vor der Bilanz stand ein Minus. Und die Industrieriesen aus dem Westen hatten sich längst auf ihren eigenen FCKW-Ersatz geeinigt: R134a, Tetrafluorethan.

Man wusste aber nicht, ob Tetrafluorethan der Ozonschicht auf lange Sicht nicht ähnlich schaden würde wie das FCKW. Wolfgang Lohbeck, Aktivist bei Greenpeace, setzte sich deshalb für einen anderes Kältemittel ein: reine Kohlenwasserstoffe. Ein Institut hatte für den Umweltverband aus Propan und Isobutan die "Dortmunder Mischung" hergestellt. Es fehlte noch eine Kühlschrankfirma, die damit so lange experimentierte, bis sichergestellt war, dass keine Explosionsgefahr mehr bestand. Im Westen sagten Greenpeace alle ab. Ein Professor verfasste ein Gutachten: Bei 40 Millionen solcher Gasgeräte in den Haushalten würde es 10.000 Brände und zehn Tote im Jahr geben. Auf einer Messe entdeckt Lohbeck dann die DKK Scharfenstein. Mit einer Kollegin fuhr er ins Erzgebirge. Im Büro des Geschäftsführers traf er Albrecht Meyer. Wir könnens probieren, sagte der. Was sollte er auch sagen. Es war ihre letzte Chance.

Dass es am Ende funktionierte, das lag vor allem an zwei Dingen, sagt Wolfgang Lohbeck heute: am persönlichen Mut der Ostler und an der industriellen Infrastruktur. Die DKK Scharfenstein stellte ihre Kompressoren, durch die das Kältemittel floss, noch selbst her. Die West-Firmen hatten die Kompressoren-Produktion längst ausgelagert. Sie hätten gar keine Labore zum Experimentieren gehabt.

Albrecht Meyer hatte Greenpeace-Aktivisten bis dahin nur im Fernsehen gesehen. "Ich dachte immer, das ist n bisschen ne radikale Truppe", sagt er.

Von Lohbeck hatte Meyer kurz vor der Wende einen Artikel in der Fachzeitschrift Die Kälte gelesen. Sie besorgten sich die neuesten Informationen aus dem Westen. Wenn in Illinois, USA, alle zwei Jahre Kompressorentage waren, brachte ein Professor aus Dresden 300, 400 Seiten Unterlagen mit. Meyer übersetzte sie. Er hatte in der Volkshochschule Englisch gelernt. Es ging um allerlei Technisches, um Rotations-Rollkolben-Verdichtung und so. "Wir wollten ja wissen, was auf der Welt los ist."

1987 hatte auch die DDR das Montreal-Protokoll zum Schutz der Ozonschicht unterschrieben. Sein Entwicklungsleiter kam zu Meyer und wies ihn an, nach FCKW-Alternativen zu suchen. In der ganzen DDR war kein 134a aufzutreiben. Gerade als sie im Lada aus der Ukraine 1,9 Kilogramm davon geholt hatte, begannen die Massendemonstrationen. Es war Wendejahr. "Da standen wir mit unserem Kältemittel", sagt Meyer. Der Mauerfall überraschte ihn auf einer Kompressorentagung in einem Ferienheim. Manche im Werk dachten, jetzt komme eine große Westfirma, dann gehe alles weiter wie bisher. Meyer war von Anfang an skeptisch.

Sein Misstrauen ist nicht kleiner geworden. Wenn er "drieben" sagt, klingt es manchmal wie ein Schimpfwort. Die Kühlschrankhersteller aus der BRD haben ihn Anfang der Neunziger regelrecht bekämpft. Prüfreihe für Prüfreihe hatte er ein umweltfreundliches Propan-Isobutan-Gemisch gefunden, das als Kühlmittel taugte. Greenpeace sponserte 26.500 Mark für zehn Prototypen. Meyers Leute machten einen Testlauf nach dem anderen, lieferten Bericht für Bericht, checkten Isolation, Schutzleiter, Verdampfer, Geräusche, Einspritzgeometrie, alles im Dauerbetrieb. Meyer fuhr nach Dresden, nach Holland, zu den Herstellern der einzelnen Komponenten. Der TÜV segnete ihren FCKW-freien Kühlschrank ab.

Die West-Konkurrenz schickte in der Zwischenzeit einen Brief an den Handel. Das Gerät mit der Bezeichnung KT 135 R enthalte brennbare Gase und sei damit gefährlich. Ein Produktionsbeginn im Frühjahr 1993 sei nicht wahrscheinlich.

Im März 1993 lief der KT 135 im Werk der neu gegründeten Firma Foron, die aus der DKK Scharfenstein hervorgegangen war, dennoch vom Stapel.

Selbst die Treuhand, die das Unternehmen lieber gleich dichtgemacht hätte, konnte das nicht verhindern. Greenpeace hatte mit einer beispiellosen Kampagne für 70.000 Bestellungen gesorgt und auf einer Pressekonferenz im Erzgebirgs-Ort für das umweltfreundliche Produkt geworben.

Als die West-Hersteller sahen, dass die Gas-Alternative nicht mehr aufzuhalten war, stellten sie auch darauf um. Bei der Bosch-Siemens Hausgeräte AG in München attestierte man einen "sensationellen Erfolg". Beim Hersteller Liebherr sprach man von einer "gehörigen Portion Dynamik", die die Ostoffensive der Umweltschützer gebracht habe. Ausländische Delegationen reisten zu den Umwelt-Vorreitern ins Erzgebirge. Meyer besuchte Konferenzen, er flog nach Washington. Die Leute kannten ihn. Er wunderte sich.

In Autoklimaanlagen ist 134a, das die West-Platzhirsche damals verwenden wollten, ab 2011 verboten. Das hat Albrecht Meyer unter die Jahreszahlenkolonne auf seinen Zettel geschrieben. Es ist umweltschädlich. Er hatte Recht.

Foron hat das alles nicht viel genutzt. Der Geschäftsführer, der couragiert für die FCKW-freien Geräte und gegen die Treuhand gekämpft hatte, setzte seine Hoffnungen anschließend in einen runden Kühlschrank. Bei einer Fahrt über den Rhein wurde das Gerät präsentiert, als es längst noch nicht fertig war. Meyer grummelt vor sich hin, wenn er davon erzählt. In die Finanzabteilung hatte der Firmenchef besser bezahlte Wessis gesetzt. Die Westfirmen machten FCKW-frei ordentliche Geschäfte. Foron ging pleite, wurde von Holländern übernommen, ging wieder pleite. 2002 räumte ein türkisches Unternehmen die verbliebenen Kühlgeräte lastwagenweise aus den Firmenhallen. Heute liegen die Gebäude weitgehend verlassen neben der Zschopau, ein Kleinunternehmen beschäftigt darin noch ein paar Mitarbeiter.

In Albrecht Meyers Küche brummt leise und in Marineblau ein Exemplar der letzten Reihe namens Bistro, die Foron selbst entwickelt hat. Unter seiner Leitung. Er war zum technischen Direktor aufgestiegen. Meyer ist in Rente, aber er hat nicht aufgehört zu arbeiten, regelmäßig hilft er in einer Firma in der Nähe aus. Er denkt in letzter Zeit viel über den Wirkungsgrad von Kühlschränken nach. Manche hätten eine Energiewirtschaft wie eine Dampfmaschine, nicht besonders effizient. "Da ist noch viel zu tun." Es sei jetzt nur noch ein Hobby, sagt er. Aber er hat da schon ein Papier aufgesetzt.

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