Preisexplosion bei Agrarrohstoffen: Freispruch für Spekulanten

Steigende Nachfrage und zunehmender Wohlstand seien Schuld an den hohen Lebensmittelpreisen, behauptet die OECD. Welternährungsorganisationen haben daran berechtigte Zweifel

Eine sichere Bank für Spekulanten: Weizen und andere Agrarrohstoffe. Bild: ap

BERLIN taz | Spekulanten sind doch nicht schuld an plötzlich explodierenden Lebensmittelpreisen. So lautet jedenfalls das Ergebnis einer neuen Untersuchung der Industrieländerorganisation OECD. Zwei US-Ökonomen, Scott Irwin und Dwight Sanders, haben sich dazu bestimmte Fonds angesehen, die in Futures investieren, also auf die künftige Preisentwicklung von Lebensmitteln spekulieren. Sie sehen "keine Belege dafür, dass die Investitionen dieser Händler die Kursentwicklung beeinflussen". Die Fonds, schlussfolgern die Autoren, "haben nicht die Blase auf den Futures-Märkten für Agrarrohstoffe ausgelöst". Dass sich zwischen 2006 und 2008 die Preise für Weizen, Mais und Soja mehr als verdoppelten und in ärmeren Ländern wie Haiti, Ägypten und Niger Hungerrevolten stattfanden, das kann auch die OECD nicht bestreiten. Damals hatten Spekulanten fast 250 Milliarden US-Dollar in Agrar-Futures angelegt - mehr als doppelt so viel wie zwei Jahre zuvor, als noch Immobiliendeals und damit zusammenhängende Wertpapiere in Mode waren.

Doch nicht das war nach Ansicht der OECD schuld an der rasanten Teuerung, sondern die gestiegene reale Nachfrage aufgrund der wachsenden Weltbevölkerung, zunehmenden Wohlstands in Schwellenländern und des Booms bei Biotreibstoffen. Seltsam nur, dass sich all diese Faktoren 2008 verschworen zu haben scheinen, um eine solche Preisexplosion hervorzurufen. Seither haben sich die Preise etwas stabilisiert, wenn auch auf höherem Niveau als zuvor.

Dass es irgendwann zu einer Normalisierung kommt, spätestens wenn die Ernte eingefahren ist und reale Abnehmer gefunden werden müssen, überrascht nicht. Heiner Flassbeck, Chefökonom der UN-Handels- und Entwicklungskonferenz (Unctad), gab jedoch zu bedenken, dass bis dahin Zeit vergeht - "und in dieser Zeit können Menschen in armen Ländern verhungert sein, weil einige Fonds oder Banken versucht haben, Traumrenditen zu erzielen".

Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) fordert daher in einer anderen aktuellen Studie eine Regulierung der Märkte für Agrar-Futures. Im Gegensatz zur OECD glaubt sie, dass der weltweite Preisanstieg bei Lebensmitteln vor zwei Jahren "durch die Spekulanten in den Futures-Märkten verstärkt worden sein könnte". Nur 2 Prozent aller Futures-Kontrakte enden laut FAO mit der tatsächlichen Lieferung des Rohstoffs. Der Rest dient zu Spekulationszwecken. Dennoch warnt die FAO: "Spekulativen Handel zu begrenzen oder zu verbieten kann mehr Schaden als Nutzen anrichten." Denn dadurch käme den Märkten wichtige Liquidität abhanden. Welchen Nutzen die vielen über den Globus schwappenden liquiden Mittel auf der Suche nach lukrativen Anlagen haben, bleibt allerdings offen.

Das österreichische Landwirtschaftsministerium hat jedenfalls schon mal klargestellt, dass es vom Freispruch der Spekulanten durch die OECD nichts hält. So habe die Untersuchung weder die Rolle normaler Investmentfonds noch die hochspekulativen Hedgefonds berücksichtigt. Auch die EU-Kommission sei bereits zu dem Schluss gelangt, dass Spekulation möglicherweise sehr wohl die Preise beeinflusse. Nach Angaben des Ministeriums zweifelten mehrere Länder, auch Deutschland, die Ergebnisse der Studie bei deren Präsentation an. Deshalb sei diese dann auch nur als Arbeitspapier mit "vorläufigen Ergebnissen" erschienen.

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