Diskussion um "Soziallabel": Gesetzesvorschlag zur "Fairgabe" vorgelegt

Die Vergabe von Aufträgen der öffentlichen Hand soll sich künftig stärker an Kriterien der Nachhaltigkeit orientieren.

Wurden diese Stifte durch Zwags- oder Kinderarbeit hergestellt? Schulsekretariate sollen in der Lage sein, Stifte nach sozialen Kriterien auszuwählen. Bild: dpa

BERLIN taz Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) legt nun endlich einen Referentenentwurf zum Vergaberecht auf den Kabinettstisch. Er soll regeln, nach welchen Kriterien der Staat Uniformen, Brücken und Strom einkauft. In dem Gesetzesvorschlag steht auch ein Satz, den Glos und seine Ministerialen lange verhindern wollten: "Für die Auftragsausführung können zusätzliche Anforderungen an Auftragnehmer gestellt werden, die insbesondere soziale, umweltbezogene oder innovative Aspekte betreffen."

Sollte diese Formulierung im Herbst vom Bundestag verabschiedet werden, ist das der erste große Erfolg des Cora-Netzwerks, zu dem sich über 30 entwicklungs- und umweltpolitische Organisationen zusammengeschlossen haben. Sie setzen sich für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Ökostandards weltweit ein und wollen dafür die staatliche Einkaufsmacht von mehreren hundert Milliarden Euro im Jahr als Hebel nutzen. Die Ministerien für Arbeit, Umwelt und Entwicklung zogen mit, und so musste Minister Glos schließlich klein beigeben. Zwar zwingt der Gesetzentwurf keine Kommune und keinen Einkäufer in einer Behörde dazu, entsprechende Anforderungen in eine Ausschreibung hineinzuschreiben. Doch wer will, kann Bedingungen stellen und muss keinen Prozess fürchten, wenn er nicht das billigste Angebot auswählt.

Klar ist allerdings auch, dass die öffentlichen Beschaffer die Einhaltung der Kriterien kaum selbst überprüfen können. Auch brauchen sie Hilfe, wenn es darum geht, unterschiedliche Anforderungen zu gewichten. Deshalb fordert Thomas Krämer von der Christlichen Initiative Romero (CIR), dass die Bundesregierung eine Datenbank für alle relevanten Produkte aufbaut. Jeder Einkäufer und jeder Auftragnehmer soll dort nachschauen können, wofür es wie viele Bonuspunkte gibt. Wie so etwas aussehen kann, lässt sich bereits in den Niederlanden studieren. Und damit das System auch genutzt wird, hat der Staat dort 10 Millionen Euro für die Schulung der öffentlichen Einkäufer bereitgestellt.

Umstritten unter den Cora-Mitgliedern ist die Frage, ob ein "Soziallabel" sinnvoll ist, das zum Beispiel die Einhaltung der ILO-Grundarbeitsnormen wie das Verbot von Zwangs- und Kinderarbeit bestätigt. Volker Bajus von terres des hommes plädiert dafür. Nur bei minimalem Aufwand wird zum Beispiel ein Schulsekretariat in der Lage sein, seine Stifte nach sozialen Kriterien auszuwählen. Dagegen warnt Peter Fuchs von Weed vor diesem Weg. In Belgien sei es der Wirtschaft gelungen, ein wachsweiches Siegel zu etablieren, das den Beschäftigten in Entwicklungsländern nicht wirklich nütze, jetzt aber jede weitere Diskussion verhindere.

Während die Novelle des Vergaberechts ein deutlicher Schritt nach vorn für eine sozial-ökologische Einkaufspolitik darstellt, ist das Urteil des Europäischen Gerichtshofs von Anfang April ein herber Rückschlag. Die Richter hatten das niedersächsische Vergaberecht als rechtswidrig bezeichnet, weil es von Auftragnehmern die Zahlung ortsüblicher Tariflöhne forderte; der Bundesgerichtshof hatte dagegen eineinhalb Jahre zuvor die Legitimität bestätigt. Nun müssen wohl auch in anderen Bundesländern entsprechende Regelungen gestrichen werden. Die Berliner Landesregierung hat aber bereits angekündigt, im Bundesrat eine neue Initiative zum Thema Tariftreue starten zu wollen.

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