Verbraucherschutz Finanzen: Intransparenter als jeder Joghurt

Bei der Neuordnung der Finanzaufsicht vernachlässigt Schwarz-Gelb den Verbraucherschutz. Dabei ist es üblich dass die Banken zu risikoreiche Anlagen verkaufen – der Provision wegen.

Verbraucherschützer Gert Billen vergleicht Finanzprodukte mit Jogurt. Bild: Daniel – Lizenz: CC-BY-ND

BERLIN taz | In den nächsten Tagen will Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) seine Pläne zur Neuordnung der Finanzaufsicht vorlegen. Dabei geht es vor allem darum, wie sich die bislang auf Bundesbank und Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) aufgeteilten Kompetenzen bei der Bundesbank bündeln lassen, ohne deren Unabhängigkeit in Frage zu stellen. Die Konzentration soll eine wirksamere Kontrolle der Finanzinstitute ermöglichen.

Bislang praktisch keine Rolle spielt bei diesen Überlegungen der Verbraucherschutz. Dabei hat die Finanzaufsicht grundsätzlich zwei Aufgaben: Sie soll die Solvenz der Banken sichern, also Beinahe- oder echte Pleiten möglichst verhindern. Sie muss aber auch den Markt beaufsichtigen, und das heißt: verbraucherbezogen kontrollieren. "Wir brauchen eine Aufsicht, die dafür sorgt, dass auch bei den Verbrauchern weniger Verluste entstehen", sagt Gerd Billen, Präsident des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv). Damit die Behörden entsprechend aktiv werden können, müsse der Verbraucherschutz gesetzlich verankert werden.

Bislang fühlt sich nur Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) für das Thema zuständig. Um Anleger vor unseriösen Bankberatern zu schützen, hat sie eine Dokumentationspflicht für Beratungsgespräche eingeführt. Auf Druck der Lobby überließ sie es den Banken jedoch selbst, ob sie ihre Finanzprodukte zusammen mit einem Produktinformationsblatt vertreiben - mit der Folge, dass fast alle darauf verzichten. "Auf jedem Joghurt muss stehen, was drin ist und was er kostet", sagt Billen. "Warum der Verbraucher bei Finanzprodukten nicht erfahren soll, welche Risiken sie haben und welcher Anteil am Geld dem Verkäufer zufließt, erschließt sich mir nicht."

Weil der Verkauf von Geldanlagen mit Provisionen forciert wird, verkaufen die Banken ihren Kunden oft unpassende Anlagen oder solche, die riskanter sind als gewünscht. Einer Studie des Verbraucherschutzministeriums zufolge verlieren Anleger auf diese Weise jährlich mindestens 20 Milliarden Euro. Auch in der Union mehrt sich deshalb der Druck auf Aigner, dagegen vorzugehen. Baden-Württembergs Verbraucherminister Peter Hauk (CDU) hat eine Bundesratsinitiative angekündigt. Ziel ist ein Gesetz, das zur Offenlegung von Provisionen zwingt.

Verbraucherschützer wollen darüber hinaus auch die Zulassung der Finanzprodukte insbesondere auf dem grauen Kapitalmarkt besser kontrolliert sehen. Zertifikate beispielsweise, die wertlos werden, wenn das ausgebende Institut bankrott ist, dürfen in den USA nicht mehr an Privatanleger vertrieben werden, weil sie zu riskant sind - in Deutschland schon. "Wir brauchen eine Stelle, die eine Folgeabschätzung für den Markt vornimmt und auch Vertriebsbeschränkungen aussprechen kann", sagt vzbv-Präsident Billen.

Für ebenso wichtig hält er ein Beschwerderecht der Verbraucherverbände, das auch Minister Hauk fordert: "So könnten die Verbraucherschutzverbände stärker an der Arbeit der Finanzaufsichtsbehörden teilhaben."

In Großbritannien ist dieses Modell erfolgreich. Vor ein paar Jahren wurde bekannt, dass immer mehr Kreditinstitute ihren Kunden zu einem Darlehen gleich auch eine Restschuldversicherung verkauften, auch wenn diese schon anderweitig gegen die Risiken abgesichert waren. Die Bafin erklärte den Verbraucherverbänden, sie könne nichts machen. In Großbritannien dagegen mussten die Behörden gegen die Unternehmen vorgehen. Schätzungen zufolge sparten die Verbraucher dadurch jährlich rund 1 Milliarde Pfund.

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