Bahngewerkschaft in der Krise: Transnet laufen Mitglieder davon

Erst geht der Chef, dann der Kollege: 1.000 Mitglieder wollen aus der Bahngewerkschaft Transnet austreten, nachdem Vorsitzender Hansen in den Vorstand der Bahn wechselte.

"Transnet steht vor den Trümmern des Systems Hansen", sagen Kritiker. Bild: ap

BERLIN taz Der überraschende Wechsel des ehemaligen Vorsitzenden der Bahngewerkschaft Transnet, Norbert Hansen, auf den Posten des Personaldirektors der Deutschen Bahn AG führt zu Massenaustritten bei der Gewerkschaft.

Etwa 1.000 Mitglieder hätten bislang wegen des Seitenwechsels von Hansen angekündigt, aus der Gewerkschaft auszutreten, sagte Transnet-Sprecher Oliver Kaufhold am Dienstag der taz. Zwar kämpfe seine Organisation schon seit Jahren mit dem Verlust von Mitgliedern - "dass aber auf einen Schlag" so viele Mitglieder der Gewerkschaft den Rücken kehren wollten, sei bislang noch nicht vorgekommen. Transnet hat derzeit etwa 240.000 Mitglieder und ist damit die größte Bahngewerkschaft in Deutschland.

Möglicherweise habe der Schwund auch mit einem Unmut der Mitglieder wegen der Debatte über die Teilprivatisierung der Bahn zu tun, räumte Kaufhold ein. Transnet hatte die umstrittenen Pläne zur Bahnprivatisierung - im Unterschied zur Gewerkschaft der Lokführer - stets begrüßt. Mit ihrem Einschwenken auf den Privatisierungskurs von Bahnchef Hartmut Mehdorn wollte Transnet eine Zerschlagung des Konzerns verhindern, die die Gewerkschaft für den Fall anderer Privatisierungsvarianten befürchtete. Transnet hofft nun, dass nicht alle Gewerkschaftsmitglieder, die gekündigt haben, auch tatsächlich abspringen. "Wir kämpfen um jedes Mitglied", so Kaufhold. Man suche das Gespräch mit allen Austrittswilligen, bei vielen gelinge es auch, sie zurückzuholen.

Die materiellen Folgen der Austrittswelle lassen sich laut Kaufhold noch nicht absehen. Für den Transnet-Gewerkschaftstag Ende November in Berlin erwartet Kaufhold einen großen Gesprächsbedarf. So gebe es Stimmungen, die die Gewerkschaftsarbeit vor Ort stärken wollten, um Mitglieder zu halten oder zu gewinnen. Man müsse sich mehr um die konkreten Probleme der Beschäftigten am Arbeitsplatz, etwa überhitzte Lokomotiven oder Pausenräume, kümmern.

Für Hans-Gerd Öfinger von der Initiative "Bahn von unten" ist die Austrittswelle ein ernstes Signal. "Transnet steht vor den Trümmern des Systems Hansen", sagte Öfinger der taz. "Die Mitglieder fühlen sich betrogen." Allerdings rät Öfinger den Transnet-Mitglieder davon ab, auszutreten. Eine schlechte Gewerkschaft sei immer noch besser als gar keine. Auch ein Übertritt in eine andere Gewerkschaft löse keine Probleme. Jetzt komme es vielmehr darauf an, dass sich die Unzufriedenen engagieren und sich innerhalb von Transnet für eine andere Politik starkmachen, so Öfinger. "Wir brauchen eine Abkehr vom Privatisierungskurs und vom Schmusekurs mit dem Management."

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