Starke Worte bei Weltsozialforum: Vier Präsidenten und ein Sündenfall

Ecuadors Präsident Correa fordert eine "regionale Finanzarchitektur" mit eigener Währung und eigenem Bankwesen. Dennoch kritisiert die Landlosenbewegung ihre Staatschefs.

"Fidel ist unter uns": Die Präsidenten Hugo Chavez und Rafael Correa mit Ieda Guevara, Tochter von Che Guevara. Bild: dpa

"Lateinamerika erlebt einen magischen Moment, eine Zeitenwende", ruft Ecuadors Präsident Rafael Correa den VertreterInnen von sozialen Bewegungen aus ganz Amerika unter großem Jubel zu, "unser Alternativmodell heißt Sozialismus des 21. Jahrhunderts". Gleich vier Staatschefs hat das Bündnis unter Federführung der brasilianischen Landlosenbewegung MST in eine Sporthalle von Belém geladen. Es sind jene, die sich dem Prozess einer lateinamerikanischen Integration unter sozialem Vorzeichen verschrieben haben: Correa, Evo Morales aus Bolivien, der paraguayische Fernando Lugo und Hugo Chávez aus Venezuela, der sich auf dem Weltsozialforum in Porto Alegre 2005 erstmals zum Sozialismus bekannt hatte.

Nicht geladen war der Brasilianer Luiz Inácio Lula da Silva, dessen Verhältnis zur den Landlosen angespannter denn je ist, weil es keine Agrarreform gibt. Doch auch die angereisten Ikonen bekommen ihr Fett ab: "Ihr seid sehr lasch", kritisiert etwa João Pedro Stedile, Kopf der Landlosenbewegung: "Wir erwarten mehr als Reden, wir wollen Strukturreformen wie die Verstaatlichungen von Banken".

"Dass heute vier Präsidenten hier sind, haben wir euch zu verdanken", begrüßt Evo Morales seine "Lehrer" im Publikum, darunter BauernaktivistInnen, Gewerkschafter, Intellektuelle aus Europa und Amerika. Fernando Lugo bezeichnet das Weltsozialforum als Quelle, aus der sich das Projekt speist, das er seit ein paar Monaten in seiner Heimat umzusetzen versucht. Hugo Chávez verpackt seine Attacken gegen die Verantwortlichen der Weltfinanzkrise wie die US-Regierung, die Weltbank und den Internationalen Währungsfonds in einen Streifzug durch die Geschichte der letzten zwanzig Jahre. "Fidel Castro ist unter uns", ruft er und: "Wir sind dabei, die Utopie des Thomas Morus hier in der Neuen Welt umzusetzen."

Die konkretesten Aussagen zur neuen Vision der Latino-Linken liefert der Ökonom Correa. Auch wenn es keine Patentrezepte gebe, müssten alte Vorstellungen an mehreren Punkten überwunden werden, meint der Ökonom: "Unsere Waffen sind die Wählerstimmen, unsere Soldaten sind die Bürger. Der vielleicht größte Fehler des traditionellen Sozialismus war, das kapitalistische Entwicklungskonzept nicht infrage zu stellen - man wollte dasselbe, nur schneller und gerechter. Unser Konzept ist das gute Leben, das Leben in Einklang mit der Natur, in Würde, mit Gleichheit", sagt er und verweist auf die neue Verfassung in Ecuador. Ein Systemwechsel sei allerdings durch eine gemeinsame Politik auf regionaler Ebene zu erreichen, wobei viel versäumt worden sei. "Wenn wir eine Bank des Südens und eine regionale Währung umgesetzt hätten, wären wir besser auf die Weltfinanzkrise vorbereitet", benennt Correa die Instrumente, für die er sich seit Jahren einsetzt. Das Hauptproblem dabei ist den meisten Anwesenden klar: Bisher ist Brasiliens Rückhalt für eine solche "regionale Finanzarchitektur" vor allem rhetorischer Natur.

Zwar war Brasiliens Staatschef Lula nicht in die Belém-Sporthalle geladen, aber er ist natürlich auch anwesend auf dem Weltsozialforum: Im Hilton von Belém beriet sich Lula zunächst mit seinen Amtskollegen, um sie dann auf seine eigene Großveranstaltung einzuladen. "Der Gott namens Markt ist pleite", rief er dem Publikum zu, das vor allem aus eigenen Parteigängern bestand. Mit Lula reisten elf MinisterInnen aus Brasília an, die am Wochenende ihre ungeduldige Basis besänftigen sollen.

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