Die Zutaten zum Glück: Glückliche Grießsuppenlöffler

Was ist überhaupt Glück? Wo sind die Menschen weltweit am glücklichsten und warum? Glücksforscher suchen nach Antworten.

Glück ist mehr als nur ein Gefühl. Bild: tobeys/photocase

BERLIN taz | "Gott, was ist Glück!", stöhnte einst Theodor Fontane. "Eine Grießsuppe, eine Schlafstelle und keine körperlichen Schmerzen - das ist schon viel." Heute ist eine ganze Armada von Forschern und WissenschaftlerInnen damit beschäftigt, festzustellen, wo und warum Menschen weltweit am glücklichsten sind. Obwohl sie Grießsuppe zumeist eher verabscheuen dürften, bestätigen sie des Dichters Erkenntnis: Zum Glücke bedarf es nicht vieler Zutaten.

Was ist überhaupt Glück? Auch dazu sind ganze Bibliotheken vollgeschrieben worden. Im Deutschen ist allein schon der Begriff "unglücklich" mehrdeutig. Schaffen wir Deutschen es trotz unseres materiellen Reichtums vielleicht auch deshalb nur bis ins Mittelfeld der internationalen Glücks-Rankings, weil wir die Fragen nach dem Glück falsch verstehen?

"Glück" umfasst bei uns so grundverschiedene Zustände wie Glück haben (auf Englisch luck, auf Französisch fortune, auf Spanisch suerte), einen Glücksmoment erleben (pleasure, plaisir, placer) oder dauerhaftes Glück erleben im Sinne von Lebenszufriedenheit (happiness, bonheur, felicidad). In weltweiten Umfragen geht es vor allem um happiness und nicht um das Verschlucken eines "leuchtenden Schnitz Nachmittagssonne", wie die Dichterin Katherine Mansfield den Zustand momentaner Verzückungen umschrieb.

Echtes Glück definiert ein renommierter US-Glücksforscher mit dem wunderschönen Namen Martin Seligman als Kombination von pleasure, engagement and meaning, also Genuss, Aktivität und sinnerfülltem Leben. Fast alle Glückswissenschaftler sind sich einig: Nichts macht uns Menschen glücklicher als Liebe und Freundschaft, also glückende Verbindungen zu anderen Menschen.

Die zweitwichtigsten Zutaten zum Glück sind Selbstbestimmung und das Gefühl, etwas Nützliches zu tun. In Ländern mit hoher sozialer Toleranz und viel Mitbestimmungs- und Wahlmöglichkeiten - Volksentscheide, Antidiskriminierungs- und Frauenförderprogramme, Homoehen und dergleichen - sind die Menschen deshalb eindeutig glücklicher.

Was hat das alles mit materiellem Reichtum zu tun? Diverse Untersuchungen der Glücksökonomie zeigen: Menschen brauchen zwar ein gewisses Grundeinkommen, das sie befähigt, ohne Not und existenzielle Ängste zu leben. Oder, wie es Woody Allen formuliert: "Geld ist besser als Armut, und sei es nur aus finanziellen Gründen."

Das subjektive Glücksgefühl von Bewohnern ärmerer Länder steigt deshalb an, wenn ihre Staaten sich entwickeln. Ist aber ein gewisses Level erreicht, bleibt der durchschnittliche Glückspegel mehr oder weniger konstant oder sinkt gar. Laut einer Studie ist das ab einem Pro-Kopf-Jahreseinkommen von rund 20.000 Dollar der Fall: Jenseits davon hat die Steigerung von Einkommen kaum mehr Wirkung. Der US-Psychologe Ed Diener, der 50 Superreiche mit einem Besitz von mehr als 100 Millionen Dollar interviewte, bestätigte: Sie sind kaum zufriedener als der Durchschnitt.

Die glücklichsten Menschen leben deshalb weder in den reichsten Ländern noch in den ärmsten. Sie finden sich laut verschiedener internationaler Umfragen vor allem in zwei Weltregionen: in Skandinavien und Zentralamerika einschließlich Karibik.

Nach dem World Values Survey in 148 Nationen waren die Menschen zwischen 2000 und 2009 in Costa Rica, Dänemark und Island am glücklichsten. Deutschland lag nur auf Platz 30, Simbabwe belegte den letzten Rang. Und auch nach dem Happy Planet Index ist Costa Rica das Land, in dem Menschen am längsten, zufriedensten, gesündesten und ökologischsten leben.

Der britische Ökonom Richard Layard bestätigte in seinen Untersuchungen, dass sich Wohlergehen und Wohlstand in vielen Fällen deutlich entkoppelt haben. In verschiedenen vergleichsweise armen Ländern Lateinamerikas sind die Menschen genauso glücklich wie in Skandinavien und in EU-Nationen.

In den Augen von Mathias Binswanger, Verfasser des Buches "Die Tretmühlen des Glücks", handeln aufs Geldverdienen fixierte Menschen deshalb höchst unökonomisch, weil sie ihr Glück nicht maximieren. Sie wollen immer mehr verdienen und werden dabei immer gestresster und unfähiger, das Leben zu genießen. Das sei die "Statustretmühle", glaubt der Sohn des Wirtschaftswissenschaftlers Hans-Christoph Binswanger: Menschen ziehen viel Befriedigung daraus, mehr zu verdienen als ihre Kollegen oder Nachbarn.

Für Wirtschaftskrisen vielleicht noch entscheidender als die Gier ist also der Neid. Selbst bei einem völlig irrealen Wachstum von 599 Prozent würde mindestens die Hälfte der Menschen weiter unter dem Durchschnittsgehalt liegen und neidisch auf die Geldelite schauen. Deshalb, glaubt der Ökonom, ist es gerade für die Bewohner der reichen Länder so wichtig, aus diesem "Rattenrennen" auszusteigen. Indem sie zum Beispiel ihre Arbeitszeit radikal verkürzen, um sich den Genüssen des Lebens zu widmen - Grießsuppe und anderen Grässlichkeiten.

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