Experten warnen vor Vorsorge: Darmspiegelung nicht ohne Risiko

Die Vorsorgeuntersuchung für Darmkrebs sei nur ein Bagatelleingriff, heißt es in den Schriften der Krankenkassen. Doch Experten warnen: Auch die Koloskopie hat Risiken.

Die etwas andere "Spiegelung": Begehbares Darmmodell. Bild: dpa

Der Darmkrebs befällt allein in Deutschland über 70.000 Menschen pro Jahr, in mehr als einem Drittel der Fälle führt er zum Tod. Das klingt nach genügend Argumenten dafür, die Früherkennung für diese Erkrankung voranzutreiben. Seit 2002 bezahlen hierzulande die Krankenkassen die Darmspiegelung für über 55-Jährige. Doch es wachsen Zweifel, ob dies wirklich einen Nutzen bringt.

So kritisieren Anke Steckelberg und Professorin Ingrid Mühlhauser von der Uni Hamburg, dass die Koloskopie keineswegs ein harmloser Bagatelleingriff sei. "Etwa ein Viertel der untersuchten Personen empfinden sie als beunruhigend, unangenehm oder schmerzhaft", so die Wissenschaftlerinnen, die eine ausführliche Studie zum Darmkrebs-Screening angefertigt haben.

Schon vor dem Einführen des Untersuchungsschlauchs und seiner Minikamera ist mit Komplikationen zu rechnen. So dürfen die Patienten 24 Stunden vorher nichts mehr essen, ihr Darm wird mit starken Abführmitteln und literweise Flüssigkeit regelrecht leer gespült. Gerade für Herz-Kreislauf-Patienten kann das eine extreme Belastung sein. Außerdem muss meistens ein Beruhigungsmittel verabreicht werden, um den Patienten zu entspannen. Hierdurch könne es, so Steckelberg und Mühlhauser, "besonders bei alten Menschen zu Störungen der Atmung kommen".

Akutelle Daten zeigen, dass bei 10.000 Koloskopien in dreißig Fällen schwere Blutungen auftreten und der Arzt zehnmal unbeabsichtigt die Darmwand durchstößt. Zwei von 10.000 Koloskopieteilnehmern sterben an Komplikationen. Und möglicherweise sind die Risiken in Wirklichkeit sogar noch höher. Denn Mühlhauser und Steckelberg bemängeln, dass die Nebenwirkungen der Darmspiegelung bisher "unzureichend dokumentiert worden sind".

Ein weiteres Problem der Koloskopie: Sie zeigt viel, oft sogar zu viel. Denn bei ihr werden oft Gewebeproben entnommen und als bösartig und therapiebedürftig klassifiziert, aus denen sich im Darm gar kein Karzinom entwickelt hätte. So lassen sich im Darm von über 70-Jährigen fast immer irgendwelche Polypen finden, die zwar potenziell in einen Tumor münden könnten, letzten Endes aber zu langsam wachsen, um wirklich noch gefährlich werden zu können.

"Die Leute können ihren Krebs gar nicht mehr erleben, weil sie zuvor an einer anderen Krankheit gestorben sind", erklärt Klaus Koch vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen.

Die Schweizerische Krebsliga wollte schon 2004 keine Empfehlung zur pauschalen Darmkrebsvorsorge mehr geben. Eine Koloskopie sei nur dann sinnvoll, so die Schweizer Experten, wenn ein deutlich erhöhtes Darmkrebsrisiko vorliegt.

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