Malaria in Tansania: Dem Tod entwischt

Selemani Hamisi hat Malaria, trägt den HI-Virus und hungert. Er ist einer von Millionen Malariapatienten in Tansania, wo jährlich 100.000 Menschen daran sterben.

Moskitonetze sind ein wirksamer Schutz vor Malaria und haben weniger Nebenwirkungen als DDT. Bild: dpa

MOROGORO taz Selemani Hamisi weint. Sein Schluchzen übertönt sogar das Rasseln des Regens auf dem Wellblechdach. Der anderthalb Jahre alte Junge jammert und klammert sich an ihre Brust. Seine Mutter Salima Hamisi, 23, ist besorgt. "Er hat Malaria. Ich habe mein erstes Kind an die Krankheit verloren und will nicht auch noch Selemani verlieren."

Die beiden sind ins staatliche Regionalkrankenhaus der tansanischen Kleinstadt Morogoro gekommen. Hier bekommt Selemani eine neue Medizin gegen Malaria, produziert aus Artemisinin. Artemisinin kommt von der Hao-Pflanze, die Chinesen seit Jahrhunderten benutzen.

Selemani hat nicht nur Malaria, sondern er ist auch unterernährt und dazu HIV-positiv, wie seine Mutter. "Aber seine Chancen sind gut", versichert Dr. Jasin Mbaga. "Die neue Medizin wirkt hervorragend, und mit zusätzlicher Nahrung ist er in ein paar Tagen wieder in Ordnung." Es ist schon das zweite Mal, dass Selemani Malaria hat. Als er neun Monate alt war, hat er schon einmal knapp überlebt.

Tansania hat 37 Millionen Bewohner, unter denen jährlich 17 bis 20 Millionen Malariafälle gemeldet werden. Hunderttausend Menschen sterben daran jedes Jahr, 80 Prozent davon Kinder unter fünf Jahren. Aber das Land tut viel gegen Malaria. Moskitonetze werden umsonst verteilt. Radio und Plakate informieren über die Symptome, damit Kranke früh zum Arzt gehen. "Ich habe ein Moskitonetz für Selemani", erzählt seine Mutter.

Wegen der ergiebigen Regenzeit ist das Dorf voller Pfützen. Das ist die perfekte Brutstätte für Malariaparasiten. Salima weiß das. Trotzdem muss sie gestehen, dass sie die Pfützen um ihr Haus herum nicht wegwischt. Auf die Frage, warum, zuckt sie nur mit den Schultern und verspricht Besserung.

"Die Menschen wissen Bescheid, aber sie sind lasch", meint Doktor Mbaga beim Rundgang durch die Kinderstation. Die meisten der kleinen Patienten haben Malaria, andere Lungenentzündung. Während wir durch die Flure laufen, sehen wir, dass auch auf dem Krankenhausgelände zahlreiche Regenpfützen sind. "Ja, auch wir vergessen Ordnung zu schaffen", sagt der Arzt schuldbewusst. "Ich muss mal wieder was dazu sagen."

Aber kann wirklich verlangt werden, dass in bitterarmen Gegenden, wo es viel regnet, die Leute ständig Wasserpfützen beseitigen? Einige afrikanische Länder setzen lieber auf die Ausrottung der Mücken, die den Malariaerreger übertragen - mit dem hochgiftigen Pestizid DDT. Heute ist es weltweit verboten. Aber in manchen Ländern Afrikas werden in schwer infizierten Gebieten dennoch Häuser und die direkte Umgebung damit gespritzt. Dass das Gift auf die Äcker kommt, nehmen die Behörden in Kauf. Auch Tansania überlegt, DDT einzusetzen.

Weniger als 1 Euro pro Tag

Das Artemisininmittel ist in Tansania nur in wenigen Apotheken zu bekommen, weil die meisten Menschen es nicht bezahlen können. Die Clinton- und Gates-Stiftungen arbeiten mit Tansanias Regierung zusammen, um die Medizin zu subventionieren, damit es für dieselbe Summe zu kaufen ist wie die alten Mittel. Die konnte Salima Hamisi sich leisten, nicht aber das neue Medikament, das acht Euro pro Behandlung kostet: Sie lebt mit weniger als einem Euro pro Tag. Aber im Krankenhaus ist medizinische Hilfe umsonst, Medikamente inklusive, abgesehen von der Anmeldegebühr von 20 Cent.

Salima ist Bäuerin. Rund um ihr winziges Haus in ihrem Dorf hat sie etwas Mais und Gemüse gepflanzt. Es reicht nicht einmal für sie und ihren Sohn. Ab und zu hilft ihre Familie mit Reis oder Zucker oder einem Huhn.

Dem kleinem Selemani geht es nach ein paar Tagen besser, wie vom Arzt versprochen. Seine Mutter bindet sich ihn auf den Rücken. Es geht heimwärts in die Uluguru-Berge, deren Gipfel im verregneten Nebel kaum zu sehen sind. "Ich werde alles versuchen, damit er nicht noch einmal Malaria bekommt", verspricht die Mutter. Der Arzt schaut ihr nach. "Ich kann nur hoffen", sagt er. "Aber ich fürchte, ich sehe Selemani und seine Mutter eines Tages wieder."

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