Physiker ausgezeichnet: Nobelpreis für elektronisches Auge

Der Physik-Nobelpreis geht an Forscher, die Grundlagen für die Entwicklung von Digitalkameras legten. Der Weg zur Auszeichnung begann mit einem 1969 mit einem Anruf.

Eine Aufnahme aus dem Jahr 1974: die beiden US-Forscher Willard Boyle (l) und George Smith (r). Bild: dpa

Der Legende nach begann der Weg zum Nobelpreis mit einem Anruf seines Chefs im Oktober 1969. Der kanadische Physiker Willard Boyle saß in seinem Büro bei den berühmten Bell Labs, dem Forschungszentrum des damaligen US-Telefonriesen AT&T. Sein Chef rüffelte ihn, warum er nicht auch so etwas Schickes erforschen könne wie seine Kollegen ein paar Türen weiter mit ihren magnetischen Blasen. Boyle rief seinen Kollegen George Smith an und beim anschließenden Brainstorming kamen sie auf eine revolutionäre Idee. Die beiden erhielten heute den Nobelpreis, von den Magnetblasen hat man nie wieder groß etwas gehört. Eigentlich versuchten Boyle und Smith erst, etwas Ähnliches wie die Magnetkollegen hin zu bekommen: einen Speicher für Computerdaten. Erst ernteten sie große Skepsis für ihr Prinzip: Auf einer briefmarkengroßen Fläche mit winzigen Silizium-Halbleitern, exakt in Reih und Glied angeordnet, sollte Licht auftreffen und dort jeweils Elektronen losschlagen. Diesen fotoelektrischen Effekt hatte schon Albert Einstein entdeckt. Das neue an Boyles Idee war, dass man diese losen Elektronen Spalte für Spalte kurz zwischenspeichern und dann auslesen konnte. Mit Hilfe von Mathematik und moderner Elektronik geht das Lesen in großer Geschwindigkeit. Boyle nannte es Charge-coupled Device, auf Deutsch etwa "Ladungs-gekoppeltes Teil" oder CCD. Es stellte sich schnell heraus, das es eine viel bessere Anwendung gab als das Datenspeichern: Die CCD konnte Bilder schneller speichern und auslesen wie eine Filmkamera, das elektronische Auge war geboren. Schon 1970 baute Boyles Forschergruppe die erste primitive Videokamera für Schwarz-weiß-Aufnahmen. Anfangs wurde die Technik vom Militär genutzt, sie konnten die Daten ihrer Spionagekameras plötzlich mit Computern weiterverarbeiten. Physiker statteten ihre Messgeräte in Labors ebenso damit aus wie Satelliten oder das berühmte Hubble-Teleskop. Ab Mitte der 80er Jahre revolutionierte die CCD dann den Markt der Video- und Fotokameras. Für Boyle war die Erfindung keineswegs eine Eintagsfliege: Er hatte schon den Rubinlaser für den Dauerbetrieb fit gemacht und diverse andere Erfindungen wie etwa brauchbare Laser für das Lesen von Musik-CDs auf seinem Forscherkonto stehen. Und für die Nasa hatte er Landeplätze auf dem Mond ausgesucht. 1979 ging er in Pension und erhält nun spät die Aufnahme in den Adelstand der Wissenschaft. Boyle wundert sich selbst über seinen weiten Weg, wie er auf der kanadischen Wissenswebsite www.science.ca erzählt: In seinem Geburtsort 350 Kilomter nördlich von Quebec fuhren "wir nicht mit dem Auto, sondern mit Hundeschlitten." Er ging erst ab dem Highschool-Alter zur Schule, vorher wurde er von seiner Mutter privat unterreichtet. In seiner Kindheit hatte sein Dorf nicht einmal elektrischen Strom, der Forscher Boyle hingegen revolutionierte einen ganzen Bereich der modernen Elektronik.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.