Krebs durch Kernkraftwerk: Nah am AKW steigt Leukämierisiko

Mainzer Wissenschaftler relativieren ihre Studie und sehen nun keinen kausalen Zusammenhang mehr zwischen Knochenkrebs bei Kindern und nahen AKW.

Höheres Leukämierisiko? Experten streiten über die Auslegung der Studie. Bild: dpa

BERELIN taz | Der Streit über die Kinderkrebsstudie geht weiter. Zwar stellte am Mittwoch die Leiterin der Studie, Professorin Maria Blettner, vom Deuschen Kinderkrebsregister (DKKR) an der Uni Mainz klar: "Die Studie zeigt, dass das Risiko für Kinder unter 5 Jahren, an Leukämie zu erkranken, zunimmt, je näher ihr Wohnort an einem Kernkraftwerk liegt"; aber bei der Frage, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind, gehen die Meinungen weiterhin weit auseinander.

Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) und das DKKR bezeichnen die am vergangenen Wochenende bekannt gewordene Krebsstudie in einer gemeinsamen Erklärung lediglich als "einen wesentlichen Baustein" zur Klärung der gesundheitlichen Effekte in der Umgebung von Atomkraftwerken.

Ihnen fehlt jedoch der kausale Zusammenhang zwischen radioaktiver Belastung und dem Ausbruch von Leukämie. Es gebe Hinweise auf mögliche Zusammenhänge, aber keine Beweise", sagte der BfS-Präsident Wolfram König. Die Ursachenklärung soll jetzt angegangen werden.

"So lange können die in der Nähe von Atomkraftwerken wohnenden Menschen nicht warten", sagt die Vorsitzende der atomkritischen Ärztevereinigung IPPNW, Angelika Claußen, am Mittwoch: "Die Atomkraftwerke müssen stillgelegt werden." Wenn bei einem Medikament so "viele ernst zu nehmende Nebenwirkungen bekannt würden, dann würde dieses Mittel umgehend aus dem Handel genommen", sagte die Ärztin. Dies sei ein selbstverständliches Vorsorgeprinzip. "Warum gilt dies nicht für Atomkraftwerke?"

Einen Beweis dafür, dass die von Atomkraftwerken freigesetzte Radioaktivität bei Kindern Leukämie auslöse, gebe es in der Tat nicht, sagte der Epidemiologe Professor Wolfgang Hoffmann, von der Universität Greifswald auf der IPPNW-Veranstaltung. Aber die Schlussfolgerung der DKKR-Wissenschafter, dass die von Atommeilern im Normalbetrieb emittierte Radioaktivität "grundsätzlich" nicht als Ursache der Leukämieerkrankungen interpretiert werden könne, weist der Greifswalder Epidemiologe entschieden zurück. Dieser Ausschluss sei durch nichts gerechtfertigt. Das sei auch nicht Aufgabe der Studie gewesen, betont Hoffmann, der auch dem externen Beratungsgremium angehört, das vom BfS für die Kinderkrebsstudie eingerichtet wurde.

Für den Bremer Epidemiologen Professor Eberhard Greiser sind die Ergebnisse der Kinderkrebsstudie sogar noch viel brisanter als bisher dargestellt. Die Studie zeige nicht nur ein erhöhtes Leukämierisiko für Kinder in einem Umkreis von fünf Kilometern um ein AKW. Auch in weiter entfernten Bereichen sei das Risiko erhöht. Untersucht worden waren Entfernungen bis zu 50 Kilometer. Anhand einer Grafik zeigte Greiser, wie das zusätzliche Leukämierisiko mit der Entfernung immer kleiner wird. In dieser 50-Kilometer-Zone haben wir es mit "8 bis 18 Prozent aller Krebserkrankungen bei Kindern bis zu fünf Jahren" zu tun, sagt Greiser. Das seien immerhin "121 bis 275 zusätzliche Krebsfälle". Die Abhängigkeit des Krebsrisikos von der Entfernung konnte für alle untersuchten AKWs nachgewiesen werden.

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