Korruptionsverdacht bei Medizin-Auszeichnung: Nobelpreis steigert Umsatz

Die Staatsanwaltschaft untersucht Verbindungen zwischen einem Pharmakonzern und dem Nobelpreiskomitee. Astra Zeneca sponsert die Nobelstiftung und profitiert vom diesjährigen Preis.

Der Heidelberger Professor Harald zur Hausen bekommt am Mittwoch den Medizinnobelpreis. Bild: dpa

STOCKHOLM taz Wenige Stunden vor Verleihung der diesjährigen Nobelpreise am Mittwoch in Stockholm bekam die Nobel-Medaille neue Kratzer. Christer van der Kwast, Oberstaatsanwalt bei der schwedischen Spezialeinheit zur Korruptionsbekämpfung, gab bekannt, dass seine Behörde eine Prüfung eingeleitet habe, ob es Grund für die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens unter anderem wegen Bestechung im Zusammenhang mit dem diesjährigen Medizinnobelpreis gibt. Nur wenige Tage vorher war die Nobelstiftung wegen eines umstrittenen Sponsorabkommens mit dem US-Waffenproduzenten Honeywell ins Zwielicht geraten.

Auch jetzt geht es teilweise wieder um ein Sponsorabkommen. Vor wenigen Monaten erst hatte die Nobel-Stiftung eine entsprechende Vereinbarung mit dem Arzneimittelkonzern Astra-Zeneca abgeschlossen. Astra-Zeneca besitzt Patente zur Herstellung von Impfstoffen gegen mehrere Varianten des Papillomaviruses (HPV), die als Auslöser für Gebärmutterhalskrebs gelten. Und ausgerechnet der Heidelberger Krebsforscher Harald zur Hausen, der den fatalen Zusammenhang zwischen HPV und Gebärmutterhalskrebs aufgedeckt hat, gehört zu den drei diesjährigen Nobelpreisträgern für Medizin.

Mit der Vergabe des Medizinnobelpreises an den Heidelberger Professor haben die entsprechenden HPV-Impfstoffe eine enorme Aufmerksamkeit und einen kräftigen Verkaufsschub bekommen. Weltweit werden umfassende Impfprogramme gefördert, hinter denen auch ein aggressives Marketing der Hersteller "Sanofi Pasteur MSD" und "GlaxoSmithKline" steckt. Kritisiert wird, dass die Werbestrategien teilweise ganz bewusst Ängste schüren und Eltern damit unter Druck setzt, ihre Töchter impfen zu lassen. Zudem gibt es Kritik an den extrem hohen Preisen für die Impfstoffe und den nicht hinreichend untersuchten Nebenwirkungen. Nach Ansicht von Pharmakritikern ist der Nutzen des Impfstoffs noch gar nicht ausreichend belegt. Vor allem Langzeitstudien gibt es noch nicht.

Über Patent- und Lizenzgebühren für die vertriebenen Impfstoffe hat Astra-Zeneca im Jahr 2007 nach eigenen Angaben 236 Millionen Dollar verdient. Nach Bekanntwerden des Sponsorabkommens bekam auch Medizinprofessor Hans Jörnvall, der Sekretär des Medizinnobelpreiskomitees, Zweifel an zu viel Nähe zwischen ökonomischen Interessen und dem Nobelpreis: „Zum ersten Mal liegt ein sehr großer Sponsor ungewöhnlich nahe an unserem Tätigkeitsbereich. Und das werden wir in Zukunft diskutieren müssen."

Laut Michael Sohlman, Chef der Nobelstiftung, habe Astra Zeneca schon deshalb nicht die Möglichkeit gehabt, die Preisvergabe zu beeinflussen, da auch die Nobel-Stiftung selbst auf diese keinen Einfluss habe.

Einen Einfluss auf die Preisvergabe hatte aber das Preiskomiteemitglied Bo Angelin, der als „Non-Executive Director" im Vorstand von Astra-Zeneca sitzt. Gegenüber Medien gibt er jetzt an, über einen Zusammenhang zwischen dem Preis und Astra-Zenecas Geschäften „nicht einmal nachgedacht zu haben". Er habe sich deshalb auch an der Abstimmung beteiligt.Ein weiteres Preiskomiteemitglied war dem Arzneimittelkonzern bis 2006 als Ratgeber verbunden.

Anders Bárány von der „Königlichen Wissenschaftsakademie" befürchtet einen Trend, der zunehmend das Image des Nobelpreises schädigen könnte: „Die meisten sehen vermutlich den Nobelpreis als selbständig und unbeeinflusst von äußerem Druck an. Aber dann lebt man in einer Welt, die es vor zehn Jahren gab, bevor diese Entwicklung mit Sponsoren begann."

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