Österreich im Ausnahmezustand: Uni brennt weiter

Ausnahmezustand an österreichischen Unis: Die Studenten haben genug von der Bildungspolitik der Regierung. Los ging's vor einer Woche mit der Besetzung des Wiener Audimax.

Der größte Hörsaal in Wien - das Audimax. Bild: ap

Österreichs Universitäten sind im Aufruhr. Seit der Besetzung des Auditorium Maxiumum der Universität Wien vor einer Woche hat sich ein Ausstand und Aufstand der Studierenden auf ganz Österreich ausgebreitet.

Jeden Tag schliessen sich weitere Hochschulen den Protesten an: die technische Uni Wien, die Uni Linz, die Uni Graz, selbst die Akademie der Wissenschaften. Es geht um die Studienbedingungen, die Finanzierung und die schleichende Verwandlung der Hochschulen in privatwirtschaftlich geführte Betriebe.

Vor einem Jahr wurden durch eine einmalige Allianz fast aller Parteien gegen die ÖVP die von der Regierung Wolfgang Schuessel, ÖVP, eingeführten Studiengebühren weitgehend wieder abgeschafft. Wissenschaftsminister Johannes Hahn, ÖVP, verpasst keine Gelegenheit, auf deren Wiedereinfuehrung zu drängen.

Die Unis hätten zu wenig Geld und mangels finanziellen Steuerungseffekts kämen zu viele junge Menschen in den tertiären Bildungssektor. Bisher hat sich Koalitionspartner SPÖ stur gestellt: Freier Zugang zur Bildung sei ein notwendiger Kanal der sozialen Mobilität.

Das Audimax in Wien ist inzwischen zu einem Mobilisierungs- und Veranstaltungsort geworden: Literaten wie Robert Menasse hatten ihren Auftritt. Peter Pilz von den Grünen, der selbst einst diesen Hörsaal frequentierte, versicherte die Streikenden der Solidarität seiner Partei.

Auch via Twitter lassen sich die unter dem Motto "Uni brennt" fungierenden Proteste verfolgen: Am einfachsten ist es, nach dem Hashtag #unibrennt zu suchen. Minutiös finden sich dort Nachrichten vom Protest.

Wissenschaftssprecher Kurt Grünewald sekundierte via Aussendung: "Die Besetzung des Audi-Max an der Universität Wien ist ein klares Zeichen der Frustration der Studierenden mit der Universitäts-Politik der Regierung. Studierende und ForscherInnen brauchen Raum, Zeit und Geld. Letzteres ist in Österreich noch immer nicht ausreichend vorhanden. Darin liegt das Versagen der Regierung".

Wissenschaftsminister Hahn verweigert den Dialog. Den Medien erklärt er gebetsmühlenartig, Studiengebühren und Platzbeschränkungen seien "Instrumente, die in anderen Ländern gang und gäbe sind". Wenn sie in Österreich nicht kommen, würden "Inbalancen" entstehen. Er hat den Rektoren geraten, auf den "Notfallparagraphen" zurückzugreifen. Anträge auf Platzbeschränkungen in den überlaufenen Studienrichtungen Publizistik und Wirtschaftswissenschaften erteilt er bereits.

Tatsächlich herrscht auf vielen Fakultäten der Notstand. Einführungsvorlesungen müssen über Video übertragen werden, weil nicht alle in den Hörsaal passen. Knock-out-Prüfungen am Ende des ersten Semesters oder Studienabschnitts fungieren als inoffizielle Filter.

Und auch die Lehrenden stehen unter extremem Druck. Assistenten und Dozenten werden nicht mehr angestellt, sondern müssen ihren Vertrag Jahr für Jahr verlängern. Verantwortlich gemacht wird nicht nur die Regierung, sondern auch der sogenannte Bologna-Prozess auf europäischer Ebene, der die Universitäten schrittweise in marktwirtschaftlich geführte Betriebe verwandelt.

Wissenschaftsminister Hahn wird sich mit der Misere nicht mehr lange herumschlagen müssen. Er wurde von der ÖVP ueberraschend zum naechsten EU-Kommissar Oesterreichs nominiert.

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