13. Weltsozialforum in Kanada: Am falschen Ort

Hohe Qualität der Diskussionen, aber kaum Resonanz: Das Weltsozialforum in Montreal geht mit einer zwiespältigen Bilanz zu Ende.

Skyline in der Nacht

Montreal von oben, näher, als viele AktivistInnen aus dem Süden der Stadt je kommen werden Foto: imago/Blickwinkel

EDMONTON taz | Es war viel los in der vergangenen Woche in der kanadischen Stadt Montreal: Auf der Stadtautobahn explodierte ein Tanklastzug, Teile des Vororts St. Henri waren wegen eines Wasserrohrbruchs überflutet, und am Hafen stahlen Diebe 13.000 Liter Ahornsirup aus einer Lagerhalle.

Ach ja, das 13. Weltsozialforum tagte auch noch, doch viele Kanadier bekamen davon kaum etwas mit. „Weltsozialforum? Wenn ich meine Freunde frage, dann hat keiner etwas davon gehört“, sagte Dénis Ouellet, ein junger Frankokanadier aus Quebec. Kaum jemand sei über das Forum im Bilde, meinte auch Henry Mintzberg, Professor an der städtischen McGill-Universität.

Tatsächlich war das Interesse an dem Treffen, das vor 16 Jahren als zivilgesellschaftlicher Gegenentwurf zum Weltwirtschaftsforum in Davos gegründet wurde, überschaubar. Kanadische Medien sprachen von etwas mehr als 15.000 registrierten Teilnehmern, die sich über sechs Tage unter dem Motto „Wir brauchen eine andere Welt“ versammelten. Bei der bunten Eröffnungsdemo am Dienstag zogen 5.000 bis 10.000 Teilnehmer durch die Straßen – deutlich weniger als erwartet.

Zu den Hochzeiten des Forums 2005 im brasilianischen Porto Alegre waren 120.000 Teilnehmer angereist. Nicht so schlimm, meinten die Organisatoren von Montreal und verwiesen darauf, dass sich der Charakter des Forums geändert habe. Statt auf einen einzigen großen Termin im Jahr setze man eher auf kleinere regionale Treffen rund um die Welt. Qualität gehe eben vor Quantität.

Ort des kreativen Austauschs

Tatsächlich lobten viele Teilnehmer die große Auswahl an Veranstaltungen, auf denen über Themen wie Armut, Krieg und Frieden, Klimawandel, Steuerflucht oder Flüchtlingspolitik diskutiert wurde. Um Alternativen zum Neoliberalismus ging es, um Steueroasen und Finanztransaktionssteuern. Beachtung fanden auch Aktionen gegen die Ausbeutung von Rohstoffen und gegen den Bau neuer Pipelines in Kanada.

Eine Vertreterin der evangelischen Organisation Brot für die Welt erklärte, sie habe Montreal als Ort der Ideen und des krea­tiven Austausch erlebt, so wie sich das die Gründer einst vorgestellt hätten.

Carolina Sachs, die für das globalisierungskritische Netzwerk Attac dabei war, sagte: „Dieses bunte und vielfältige Forum war wirklich ein überzeugender Beweis, dass der Widerstand gegen die drohende Klimakatastrophe und die Gefährdung der Demokratie gewachsen ist.“ Doch stellte sich auch die Frage, ob sich die Entscheidung gelohnt hat, das Treffen zum ersten Mal in einem der sieben führenden Indus­triestaaten abzuhalten. Mit der Wahl Montreals wollte die Bewegung ein Zeichen zur Überwindung des Nord-Süd-Gegensatzes setzen, an die erfolgreiche kanadische Studentenbewegung aus dem Jahre 2012 anknüpfen und den Bedeutungsverlust der Veranstaltung stoppen.

Doch Zweifel bleiben. „Montreal war kein guter Ort für ein Weltsozialforum“, bilanzierte Attac-­Aktivistin Sachs, auch wenn die Menschen vor Ort sehr offen gewesen seien. Als skandalös bezeichnete sie die re­strik­tive Visumvergabe der Behörden. Bis zu 200 Teilnehmer hatten Schwierigkeiten, rechtzeitig eine Einreiseerlaubnis zu erhalten, darunter Prominente wie die aus Mali stammende Frauenrechtlerin Aminata ­Traoré, die für das Amt der UN-Generalsekretärin kandidiert.

Süden in der Minderheit

Teilnehmer aus dem Süden waren wegen der hohen Reisekosten rar. Die Filmemacherin und Globalisierungskritikerin Naomi Klein sprach auf einem der Podien von einem „Ersteweltsozialforum“, und so war es zumeist auch. Nur eine Minderheit der Teilnehmer kam noch von der Südhalbkugel, aus Asien oder Afrika. Die meisten stammten aus Nordamerika. Hinzu kamen Verständigungsprobleme. Viele Podien wurden nur einsprachig abgehalten, oftmals nur auf Französisch. Der Übersetzungsdienst war wegen interner Unstimmigkeiten kurz vor der Konferenz abgesprungen.

Die Medien in Nordamerika ließen die geschrumpfte Veranstaltung meist links liegen – und wenn nicht, dann vermittelten sie keine guten Nachrichten. Zum Auftakt berichteten sie ausführlich über einen Streit über eine Karikatur im offi­ziellen Veranstaltungprogramm, die von jüdischen Gruppen als antisemitisch empfunden wurde, worauf die kanadische Regierung ihr Logo aus dem Kalender streichen ließ. Die Botschaft für eine neue, bessere und links-alternative Welt ging da schon fast unter.

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