1,5 Millionen Schadensersatz für Musikdownloads: Wie reich ist Pirate Bay?

Die Musikbranche will 1,5 Millionen Euro Schadensersatz von der schwedischen Filesharing-Seite haben. Doch wie viel verdienen die Piraten eigentlich?

Die schwedischen Netzpiraten wollen mit ihrer Saugstelle nicht viel verdient haben. Bild: luxuz/photocase

STOCKHOLM taz Vor dem im Sommer anstehenden Prozess gegen die Filesharing-Seite Pirate Bay hat nun die Musikbranche ihre Schadensersatzansprüche beziffert. Der Branchenverband IFPI will umgerechnet rund 1,5 Millionen Euro von den vier angeklagten "Piraten" haben. Und die beziehen sich nur auf die 24 Musikalben, die von der Staatsanwaltschaft zum Gegenstand der im Januar erhobenen Anklage gemacht worden sind. Besonders teuer soll nach der IFPI-Logik die Bereitstellung eines Download-Links von "Let it be" werden. Das zehnfache des "normalen" Schadensersatzes von 0,80 Euro pro Song/Download. Begründung: Man habe dieses Beatles-Stück - jedenfalls bis Mai 2006 - legal nirgends herunterladen können.

1,5 Millionen für 2 Dutzend Alben sind eine nette Summe. Doch die Macher seien ja auch reich geworden mit Pirate-Bay. Das meint zumindest die Staatsanwaltschaft. Wobei sie allerdings deutlich weniger als Einkommen veranschlagt, als die Labels nun als Schadensersatz haben wollen. Aber immerhin sollen angeblich mehr als 100.000 Euro Werbeeinnahmen allein zwischen Mitte 2005 und bis zum Zuschlagen der Polizei Mitte 2006 geflossen sein. Und da steckte Pirate Bay noch in den Kinderschuhen. Mit einem Bruchteil der jetzigen NutzerInnen.

Bleibt die Frage, wo das Geld geblieben sein soll. Laut den in Schweden öffentlich zugänglichen Steuererklärungen bei den drei Köpfen hinter Pirate Bay offenbar nicht. Die beiden "Techniker" Fredrik Neij und Gottfrid Svartholm-Varg versteuern jeweils rund 10.000 Euro jährlich als Einnahmen, Neij gibt darüber hinaus die doppelte Summe als Schulden an. Peter Sunde, der Pressemann, versteuert in Schweden gar nicht, in Norwegen hat er Steuerschulden. Bleibt der vierte Angeklagte, der Pirate Bay eigentlich nur die Serverkapazitäten bereit gestellt hat: Carl Lundström hat tatsächlich Millionen. Die hat er aber schon lange vor Pirate-Bay gehabt. Er hat sein Millionenvermögen als Miterbe der Knäckebrotfabrik Wasa begründet. Und betreibt ansonsten unterschiedliche einträgliche Telekomgeschäfte.

Doch die Staatsanwaltschaft glaubt einen Trumpf zu haben. Einige Mails, die Sunde, Neij, Svartholm-Varg und Lundström ausgetauscht haben, und die man auf Rechnern, welche man bei der Razzia am 31. Mai 2006 beschlagnahmt hatte, gefunden hat. Wo es angeblich darum geht, wer wie viel Geld erhalten soll und auf welche Konten das überwiesen wird. Eine Mail kommt von Daniel Oded, einem Mann aus Israel, der fragt, wie denn die Anzeigeneinnahmen von 72.000 Dollar für Februar und 85.000 Dollar für März 2006 verteilt werden sollten. Und eine, in dem von einem 8,5 Prozent-Anteil die Rede ist und davon, ob das wirklich auf das Konto einer schwedischen Bank überwiesen werden solle. Alle Mails im Klartext, ohne jede Verschlüsselung. Soviel Blauäugigkeit ausgerechnet bei Computerfreaks wie den Piraten?

Diese selbst haben in den Polizeiverhören jedenfalls die Anklagen zurückgewiesen. Natürlich brächten die Werbebanner auch Geld, aber davon lande nur ein Bruchteil bei ihnen selbst, den Rest schluckten die Zwischenhändler in dieser Branche. Das was bei ihnen ankomme reiche gerade für die Bezahlung der Technik und einen kleinen Lohn. Unter den beschlagnahmten Papieren hat die Polizei auch gerade mal eine Überweisung gefunden. Von der Firma Transworld AD, für die Daniel Oded arbeitet, lautet die über einen Betrag von 2500 Dollar an ein Lundström-Unternehmen. Für Server-Kosten.

Adbrite ist einer der Vermittler von Anzeigen auf der Pirate Bay-Seite. 44 Dollar kostet hier ein Textlink für einen Tag, 1000 Dollar sind für eine Schaltung von einem ganzen Monat zu zahlen. Die Preise für Werbebanner seien "Verhandlungssache". Über 10 Millionen regelmässige NutzerInnen hat Pirate Bay, vier bis fünf Millionen besuchen die Seite wenigstens einmal täglich. Auf der weltweiten Webbseiten Rangliste von Alexa.com rangiert Pirate Bay im Monatsschnitt meist zwischen den Plätzen 120 bis 140. Ein ehemaliger Mitarbeiter von "East Point", einem früheren Anzeigenvermittler der Bit Torrent-Seite behauptetete gegenüber der schwedischen Netzzeitung "Realtid", die Anzeigeneinnahmen hätten 2006 bei monatlich 55.000 bis 75.000 Euro gelegen.

Die Summen, mit denen spekuliert wird, sollen natürlich auch ein Gegenbild zu den selbstlosen Computerfreaks, die da angeblich ohne eigenes Gewinninteresse der Internetcommunity einen Dienst erweisen wollen, aufbauen. Der Prozess gegen Pirate-Bay gilt als der wichtigste für die US-Unterhaltungsindustrie, seit man 2001 Napster in die Knie zwang. Alle grossen Filmverleihe und Plattenlabel haben sich als Nebenkläger und vermeintlich Geschädigte dem Gerichtsverfahren angeschlossen. Der Schadensersatzforderung von IFPI dürfte eine entsprechende der Filmbranche folgen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.