200.000 Menschen auf der Flucht: Angola jagt Kongolesen

Bis zu 1.000 Menschen erreichen stündlich die kongolesische Grenzstadt Kamako. Sie sind Opfer staatlicher Vertreibung aus Angola.

Familie mit hochbeladenem Fahrrad auf Feldweg

Mit Sack und Pack: Kongolesen aus Angola auf der Flucht in Kasai Foto: reuters

BERLIN taz | Wieder einmal erleidet eine bitterarme Region der Demokratischen Republik Kongo eine Massenflucht, wieder einmal sind staatliche Stellen mitverantwortlich und wieder einmal ist niemand auf die Aufnahme der Betroffenen vorbereitet.

Über 200.000 Menschen sind seit Anfang Oktober aus dem Nordosten Angolas in den Südwesten des Kongo gezogen, mit nichts als Säcken und Bündeln. Angolas Regierung hat sie verjagt, nach offiziellen Angaben in einer Säuberungsaktionen gegen illegal zugezogene ausländische Diamantenschürfer.

Die Behörden der betroffenen kongolesischen Provinzen Kasai und Kasai-Central sind mit der Aufnahme der Abgeschobenen überfordert, und das Flüchtlingsdrama verschärft die Spannungen in einer in den letzten Jahren ohnehin von blutigen Konflikten erschütterten Region.

In der Kleinstadt Kamako an der Grenze, Hauptankunftsort der Vertriebenen, landen pro Stunde nach amtlichen Angaben zwischen 200 und 1.000 Neuankömmlinge.

Auf Armeelastwagen angekarrt

97.000 Abgeschobene aus Angola habe die kongolesische Stadt zwischen dem 1. und 11. Oktober aufgenommen, sagte der Gouverneur der Provinz Kasai, Marc Manyanga, am Freitag nach einem Besuch vor Ort. Manche, berichteten die ihn begleitenden Journalisten, würden direkt von Angolas Armee auf Lastwagen an die Grenze gefahren.

„Am Donnerstag kamen fünf große Lastwagen aus Angola und brachten mehrere tausend Menschen“, sagte Abbé Crispin Mfamba, Schatzmeister des Krisenkomitees der Provinzregierung, am Sonntag. „Seitdem geht es weiter. Die Grenzbehörden sind überfordert und registrieren die Abgeschobenen nicht mehr, weil ihre Büros zu Auffanglagern geworden sind.“

Am Montag sollten 28 provisorische Notunterkünfte eingerichtet werden.

Blutige Kriegsjahre

Kamako ist ohnehin von Gewalt gezeichnet. Beim Krieg zwischen der aufständischen oppositionellen Miliz Kamwina Nsapu des Luba-Volkes und den vom Militär unterstützten Gegenmilizen anderer Volksgruppen von 2015 bis 2017 erlebte Kamako im März 2017 erst eine Besetzung durch die Aufständischen, dann einen von Massakern begleiteten Rachefeldzug der zeitweise nach Angola geflohenen Soldaten und regierungstreuen Kämpfer. Letztere gehören in dieser Region zur Volksgruppe der Tchokwe, die die rebellischen Luba für Eindringlinge aus anderen Landesteilen halten.

Diese Konstellation scheint sich nun in Angola zu wiederholen. In Berichten der Abgeschobenen aus Angola ist davon die Rede, dass angolanische Sicherheitskräfte gemeinsam mit bewaffneten Tchokwe agierten.

Abgeschobene Kongolesin

„Als sie bei uns ankamen, verletzten sie meinen Mann mit der Machete“

„Am Montag sahen wir junge Tchokwe, die zusammen mit angolanischen Polizisten alle Häuser mutmaßlicher Fremder anzündeten“, berichtet eine geflüchtete Frau gegenüber AFP. „Als sie bei uns ankamen, verletzten sie meinen Mann mit der Machete und wir mussten gehen mit dem, was wir tragen konnten.“

Wie viele Vertriebene betont die Frau, sie lebe seit vielen Jahren in Angola – andere sagen, ihre Kinder seien dort aufgewachsen und würden Kongo gar nicht kennen.

Spannungen im Vorlauf der Wahlen

Die Provinz Kasai zählt bis heute mehrere hunderttausend Kriegsvertriebene – jetzt kommen Hunderttausende Angola-Vertriebene dazu. UN-Beobachter melden seit Monaten eine erneute Aufrüstung von Milizen in Kasai im Vorfeld der für den 23. Dezember geplanten Wahlen – Kasai ist Oppositionshochburg.

Im Juli stationierte die UN-Mission im Kongo Kampftruppen in Kamako, im September ging sie mit einer Sondermission Berichten über zunehmende „ethnische Spannungen, Tötungen, Massengräber, Vergewaltigungen, Brandstiftung und Übergriffe auf Zivilisten durch Militär und Polizei“ nach.

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