25 Jahre Atomkraftwerk Brokdorf: Vorweihnachtliche Bescherung

Am 22. Dezember 1986 nahm Brokdorf an der Elbe als erstes AKW nach Tschernobyl den Betrieb auf. In zehn Jahren soll Schluss sein. Gefeiert wird beides nicht.

Ans Netz nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl: das AKW Brokdorf. Bild: dpa

HAMBURG taz | Es war eine vorweihnachtliche Bescherung. Am 22. Dezember 1986 begann das Atomkraftwerk Brokdorf, Strom zu liefern. Rund 270 Milliarden Kilowattstunden sind es bislang geworden, Jahr für Jahr deckt der Meiler an der Unterelbe in etwa den Bedarf der Großstadt Hamburg. Mit durchschnittlich gut 90 Prozent tatsächlicher Verfügbarkeit zählt Brokdorf zu den global effektivsten und lukrativsten Atomkraftwerken, 1992 und 2005 war es sogar Weltmeister im Atomespalten. Für die Betreiber Eon und Vattenfall ist Brokdorf eine Erfolgsgeschichte, für die Anti-Atomkraft-Bewegung bis heute das Symbol des Widerstandes.

Seit 1986 fordern Atomkraftgegner mit Mahnwachen vor den Toren des AKW die sofortige Stilllegung, immer am 6. Tag jedes Monats zu Erinnerung an den Atombombenabwurf über Hiroshima am 6. August 1945. Zwar sei der Protest inzwischen "viel bürgerlicher geworden", räumt Hinrichsen Karsten, das Urgestein der Anti-AKW-Bewegung im Norden ein, das wertet er jedoch als Erfolg: "Die Ablehnung der Atomkraft ist nach Fukushima in der Mitte der Gesellschaft angekommen." Aus der einstigen "Ablehnung des Atomstaates" konnte so "der Einstieg in die Energiewende werden", sagt Hinrichsen heute.

Als weltweit erster Atommeiler nach dem GAU von Tschernobyl am 25. April 1986 erhielt Brokdorf am 3. Oktober 1986 die Dauerbetriebsgenehmigung, zwei Tage vor Heiligabend startete die kommerzielle Stromerzeugung. Seit der Planung in den 1970er Jahren hatten immer wieder massive Proteste den Bau begleitet, zeitweise herrschte ein Baustopp. Die angekündigte Wiederaufnahme der Arbeiten zum Frühjahr 1981 löste massiven Widerstand aus. Am 28. Februar 1981 wollten rund 100.000 Demonstranten bei bitterer Kälte nach Brokdorf. Es sollte die bis dahin größte Anti-AKW-Demo in der Geschichte der Bundesrepublik werden. Rund 10.000 Polizisten, Hubschrauber und Wasserwerfer waren im Einsatz. Knapp 130 Polizisten und ebenso viele Demonstranten wurden bei der "Schlacht um Brokdorf" verletzt. Am 7. Juni 1986 wiederholte sich das, einen Tag später wurden rund 800 Menschen auf St. Pauli von der Polizei stundenlang im "Hamburger Kessel" gefangen gehalten.

Das Atomkraftwerk Brokdorf an der Unterelbe gehört zur dritten - und letzten - Generation deutscher Druckwasserreaktoren.

Betreibergesellschaft: Eon 80 Prozent, 20 Prozent Vattenfall, ehemals HEW.

Bruttoleistung: Mit 1.480 Megawatt (MW) das zweitgrößte in Deutschland.

Abschaltung: Laut rot-grünem Atomkonsens 2001 im Jahr 2022.

Laufzeitverlängerung: Laut schwarz-gelbem Beschluss 2010 bis 2033.

Stilllegung: Laut schwarz-gelbem Atomausstieg 2011 im Jahr 2021.

Auch prominente politische Opfer hat Brokdorf gefordert. Am 25. Mai 1981 trat Hamburgs Bürgermeister Hans-Ulrich Klose (SPD) zurück, weil er den Weiterbau von Brokdorf ablehnte. Die städtischen Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW), inzwischen Vattenfall, waren mit 20 Prozent Minderheitsgesellschafter an dem Atommeiler. Deren Ausstieg aus dem Projekt konnte Klose aber gegen die eigene Partei nicht durchsetzen. Erst nach Tschernobyl wuchsen auch in Hamburgs SPD die Zweifel am Atomkurs - da aber war Brokdorf schon fast startbereit.

Nach dem schwarz-gelben Ausstiegsbeschluss vom Juni wurden die Meiler Krümmel und Brunsbüttel stillgelegt, Brokdorf soll als letzter Reaktor in Schleswig-Holstein noch bis 2021 Atome spalten dürfen. Die geplanten Festlichkeiten zum 25. Betriebsjubiläum wurden im Herbst kurzfristig von Eon abgesagt. Nach Fukushima und dem offiziellen Ausstieg aus dem Atomstaat sei ein solcher Festakt, so damals eine Unternehmenssprecherin, "nicht angemessen".

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