30 Jahre CSD: Immer queer denken

Die Bewohner des Wagenplatzes "Schwarzer Kanal" am Spreeufer zeigen in einer Aktionswoche, was sie unter queerer Lebensweise verstehen. Am Samstag findet ihr 11. Transgenialer CSD statt.

Miss Tobi und Ricky Micky sitzen auf einem alten Lkw-Anhänger unter einer Bauplane. Das provisorische Konstrukt in der Mitte des Wagenplatzes "Schwarzer Kanal" an der Michaelkirchstraße in Mitte wird am heutigen Donnerstag Bühne für queere Künstler aus Kanada, Australien, Deutschland und Schweden sein.

Am Samstag ist Showtime für die Lesben, Schwulen und Transgender Berlins. Rund 500.000 Besucher werden zum CSD erwartet, der am Samstag ab 12 Uhr auf einer 6,5 Kilometer langen Strecke durch die Stadt zieht. Startpunkt ist Unter den Linden 1, die Abschlussfeier an der Siegessäule (Text unten). Der alternative Transgeniale CSD steigt ebenfalls am Samstag. Beginn ist um 14 Uhr am Hermannplatz, dann gehts Richtung Heinrichplatz.

Auch die beiden Künstler werden mitmachen. Miss Tobi, mit langen Haaren und Teenie-Top, und Ricky Micky, mit vielen Ringen an Händen und am Hals, zeigen ein Stück über "Manipulation". Marionetten und Dias, die sie auf ihre Körper projizieren wollen, sollen darin vorkommen - mehr verraten sie nicht.

Die internationale und queere Performance-Gala beginnt um 21.30 Uhr und ist Teil der Aktionswoche Queer and Rebel Days. "Queer bedeutet für mich, Geschlechterrollen und Grenzen in Frage zu stellen, während Rebel für den linksradikalen Protest gegen die Mainstream-Queer-Bewegung steht", sagt Sakura, die neben den beiden Künstlern sitzt. Sie lebt hier seit zwei Jahren und hat die Partys der Aktionstage mitorganisiert.

Der Wagenplatz wird seit sechs Jahren hauptsächlich von Homosexuellen, Transsexuellen und Queers bewohnt. Dies sei eine zufällige Folge des Umzugs 2002, erklärt Kai. Der Transgender lebt seit 2003 in der Wagenburg. Damals mussten die Bauwagen der neuen Ver.di-Zentrale an der Schillingbrücke weichen und an die Michaelkirchstraße umziehen. Durch den Stress damals hätten viele bisherige Mitstreiter den Platz verlassen.

Mit ihrer Aktionswoche wollen die Bewohner zeigen, wofür der Wagenplatz steht und was in den 25 alten Bauwagen geschieht, erklärt Kai, der als Zimmerer auf Berliner Baustellen arbeitet. Das Wichtigste für die Bewohner des Platzes sei ihre politische Haltung. "Uns reicht es nicht, uns nur zu outen", erklärt Kai. Er ist der Meinung, dass Homosexuelle in der Gesellschaft immer noch diskriminiert werden und dass staatliche Zugeständnisse wie die Homoehe zwar ein Schritt, aber nicht das Ende der Fahnenstange seien.

Gleichzeitig grenzen sich die Bewohner auch bewusst vom queeren Mainstream ab, was sich jedes Jahr am Christopher Street Day zeigt. "Ich werde beim CSD nicht mitlaufen", betont Kai. Er finde es "absurd, dass auf der Parade auch schwule und lesbische Polizeibeamte und Soldaten teilnehmen". Mitglieder des Arbeitskreises Homosexualität und Polizei hätten 1997 mithilfe der Polizei den sogenannten Rattenwagen auf dem CSD angegriffen, berichtet er. Der Wagen war von Linksaktivisten organisiert worden und verärgerte durch seine provokante Aufmachung die Veranstalter des CSD.

Aus dieser Ablehnung heraus findet seit 1997 der Transgeniale CSD statt. Die Parade zieht am Samstag vom Hermannplatz durch Neukölln und Kreuzberg. Das Motto des linken CSD: "Des Wahnsinns fette Beute - gegen Vertreibung, Diskriminierung und Kommerzscheiße". 2007 kamen 5.000 Teilnehmer.

Die Bewohner setzen sich auch gegen Rassismus ein. So sei der Wagenplatz ein Zuhause für Queers aus vielen Ländern und Englisch die Hauptumgangssprache. Am Freitag werden die Bewohner gemeinsam mit der Flüchtlingsinitiative Brandenburg eine Kundgebung vor dem Neuköllner Rathaus abhalten.

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