Wandern auf den Kapverden: Dunkles Monstrum, guter Freund

Auf der südlichsten der neun bewohnten Kapverdischen Inseln liegt der zweithöchste Berg des Atlantiks. Eine Wanderung auf den Pico de Fogo.

Einsamer Baum am Wegesrand Bild: Kede

In Portela, einem winzigen Ortsteil von Chã das Caldeiras, gibt es nicht viel. Einige Häuser nur, ein paar Straßen, die sich kreuzen, eine einfache Bergpension mit Restaurant, drei der typischen, kapverdischen Läden, die sich allabendlich in eine Bar verwandeln. Hier ist es ganz anders, als in dem warmen, verschlafen anmutigen Inselhauptstädtchen São Filipe mit seiner portugiesischen Kolonialarchitektur.

Knapp zwei Stunden dauert von dort die Fahrt mit dem Kleinbus hierher, zwei Stunden durch karges, doch von der Sonne verwöhntes Land, vorbei an fröhlich winkenden Menschen, die alle Dinge des täglichen Lebens auf dem Kopf transportieren und für die ein Bus mit Wandertouristen eine ungewohnte, reichlich lustige Angelegenheit ist. Ein ganz und gar sympathischer Menschenschlag, denken wir uns. Sie lachen und winken freundlich - und wir lachen und winken zurück. Wir ahnen schon: Fogo ist unsere Lieblingsinsel auf der Rundreise durch das Kapverdische Archipel.

Nach und nach wird die Landschaft immer asketischer. Eine Natur, die uns schon beim etwas unsanften Landeanflug mit der TACV-Turbopropellermaschine beeindruckt hat. Unser Bus hält. Kinder sind plötzlich wie aus dem Nichts gekommen, sie umschwärmen und beschwatzen uns im kreolischen Dialekt ihrer Insel, wir sollten doch ihre kleinen, handgemachten Häuschen aus Lavastein als Souvenir kaufen. Hier oben, auf etwa 1.600 Metern, begegnet uns eine Mondlandschaft, wie man sie sich lebensfeindlicher kaum denken kann. Hier und da ein Fetzen Grün, ansonsten ist alles Staub, Geröll, geronnene Lava.

Fogo selbst, eine der südlichen der neun bewohnten Kapverdischen Inseln, ist ein ebener Vulkankegel in dessen riesiger, majestätischer Caldeira mit 2.829 Metern der nach dem Teide auf Teneriffa zweithöchste Berg des Atlantiks aufragt. Der Pico de Fogo gab der 1460 durch den italienischen Kapitän António da Noli entdeckten Insel - die zunächst São Felipe genannt wurde - ihren neuen Namen: Ilha do Fogo. Die Insel des Feuers. Im 17. Jahrhundert soll der Berg nach einem Vulkanausbruch einige Jahre der vorbeikommenden Schifffahrt als natürlicher Leuchtturm gedient haben.

Am Abend streifen wir durch das stockfinstere Portela. Es gibt keine Straßenbeleuchtung, doch in manchen Fenstern sehen wir Gaslampen brennen. Ganz am Ende des Ortes hören wir laute Musik. Jetzt stehen wir in der Schänke von Ramiro, eines Mannes, der Wirt, Gitarrist und Sänger in Personalunion ist. Er steht mit einigen Freunden hinter seiner furchigen Holztheke und spielt den rasanten „Funana“, eine höllisch schnelle, in der Kolonialzeit verbotene Musik aus Gitarre, Akkordeon, Mandoline und einem geriffelten Plastikrohr als perkussiven Waschbrettersatz. In ihrer Verschmelzung afrikanischer und europäischer Musiktraditionen ist diese Musik typisch für das kulturelle Erbe des Inselarchipels vor der Küste Westafrikas.

Wir knabbern Erdnüsse und trinken das kapverdische Strela-Bier, den Zuckerrohrschnaps Grogue - oder auch einen Rotwein. Ein saurer Tropfen allerdings, ein Rachenputzer, der nichts ist für Feinspitze. Elektrisches Licht gibt es in Ramiros Bar nicht, dafür eine Gaslampe, welche die Szenerie in warmes Licht taucht. Ramiro ist mit Touristen vertraut, immer wieder kommen Wandergruppen zu ihm, doch die Musik macht der Hochgeschwindigkeits-Gitarrist vor allem für sich selbst.

Die Nacht in der Pousada Pedra Brabo - einem kleinen Hotel mit schönem Innenhof, wo wir mit vorzüglichem Kokosfisch, Kürbis und Süßkartoffeln verwöhnt werden - ist kalt. Sehr kalt sogar. Es gibt keine Heizung, nur dünne Wolldecken, und wir sind froh, als endlich der Morgen dämmert. Um sieben Uhr marschieren wir los. Müde, steif und verfroren. Die steil aufragenden Felswände der Caldeira schimmern schon im rötlichen Morgenlicht. Eine unglaublich schöne, theaterhafte Kulisse.

Der Pico selbst liegt wie ein dunkles Monstrum vor uns. Etwa vier Stunden wird der Anstieg dauern, doch schon bald wird es wärmer. Unser Führer Paolo - ein junger Mann aus dem Dorf - marschiert mit den Händen in seinen Hosentaschen, während wir uns abmühen. Jedes Jahr gibt es ein Wettmarschieren unter den Bergführern, erzählt der zurückhaltende Mann nach mehrmaligem Nachfragen. Ginge er alleine, so schaffe er den Weg nach oben in weniger als einer Stunde.

Stetig geht es über schwarzen Boden, über Lava, Tuff und Asche bergauf. Immer heißer wird es, an vielen Stellen riecht es deutlich nach Schwefel. Ganz oben, an der Spitze des Pico, muss man über Felsen klettern. Einige kleinere Steine kullern bergab. Obacht geben und rufen, wenn sich etwas löst, ist jetzt erste Bergsteigerpflicht. Oben angekommen, wir haben jetzt beinahe die Höhe der Zugspitze erreicht, genießen wir den Blick auf das winzige Dorf und ins Innere des Vulkans. Wie unterschiedlich Schwarz schimmern kann!

Besonders Wagemutige sind die etwa 200 Meter in den Kegel hinabgeklettert und haben sich dort verewigt, indem sie aus Steinen ihren Namen (oder den ihrer Liebsten) geschrieben haben. Paolo führt uns nun einen anderen Weg hinab. Es geht über kilometerlange Felder aus Asche, über die man mehr rutscht als läuft. Ein grandioser Spaß! Doch dieses staubige Vulkan-Ski ohne Bretter ist gar nicht so ungefährlich. Je schneller man wird, desto schwieriger ist es, wieder zu stoppen.

Anreise: Die kapverdische Fluggesellschaft TACV fliegt von dem internationalen Flughafen Sal auch Fogo an.

Von São Filipe verkehren regelmäßig Sammeltaxis, die "Aluguers" zum Pico de Fogo.

Die Touren sind auch Teil der empfehlenswerten zweiwöchigen Kapverden-Rundreisen, wie sie die Firma "One World" anbietet.

One World, Roseggerstr. 59, 44137 Dortmund, Telefon (02 31) 16 44 80, www.reisenmitsinnen.de

Unterkunft in Portela: Pousada Pedra Brabo, Telefon 2 61 89 40, pedrabrabo@cvtelecom.cv

Führungen zum Pico de Fogo: Ecotour in Portela vermittelt Führer. Telefon 2 81 22 55, ecotourfogo@hotmail.com

Unterkunft in São Filipe: Pousada Bela Vista, Telefon 2 81 17 34, Casa Da Memória São Filipe: Telefon 2 81 27 65, Mi, Do., Fr., 10-12 Uhr und nach Absprache, www.casadememoria.com

Auf Kapverden.com finden sich allgemeine Infos zu den Kapverden.

Nach etwas mehr als einer Stunde sind wir wieder in Portela, von wo wir später mit Paolo noch eine kürzere Wanderung durch die riesigen, erstarrten Lavafelder des Vulkanausbruchs von 1995 unternehmen - bei dem der kleinere Nebenvulkan Pico Pequeno entstanden ist. Damals arbeitete der Berg wieder, erstmals nach 44 Jahren. Es wurden einige Häuser, vor allem aber das alte Gebäude der Weinkooperative zerstört, die sich mit Hilfe italienischer Spezialisten redlich um die Aufzucht von Reben bemühte. Todesopfer unter den 1.300 Bewohnern der Caldeira gab es keine zu beklagen, doch noch heute ist die Angst vor einem neuerlichen Ausbruch da. Warum hier bleiben, fragen wir unseren jungen Bergführer. „Weil der Berg wie ein guter Freund ist“, antwortet dieser und lächelt dabei.

Zurück in der Inselhauptstadt São Filipe mit ihren vielen Plätzen und Gassen bewundern wir bei einem Stadtrundgang den bunten Kleidermarkt, vor allem aber die Architektur der Inselhauptstadt, deren Schönheit auf Ausbeutung beruht. São Filipe gilt zu Recht als das schönste Städtchen des Kapverdischen Archipels.

Die weißen Lehnsherren der Insel, portugiesische Adelige, sind hier mit dem transatlantischen Sklavenhandel reich geworden und bauten sich in der Unterstadt große, pastellfarbene Herrenhäuser, die „Sobrados“, mit aufwendigen Holzveranden, in deren Erdgeschoss oft Läden untergebracht waren. An vielen der seit 1990 unter Denkmalschutz stehenden Sobrados wird zurzeit noch gearbeitet.

In einem der Sobrados, in der „Casa Da Memória“ ist von der Schweizerin Monique Widmer ein kleines Privatmuseum eingerichtet worden, das die Geschichte der Kapverden - eine Geschichte von Kolonialismus und Emigration - darstellt. Doch die aus der Nähe von Lausanne stammende Museumsleiterin will nicht nur Touristen helfen, die Inseln besser zu verstehen: In dem 1820 errichteten Gebäude mit dem großen Patio, wo einst ein Kino untergebracht war, hat sie eine Bibliothek zur Geschichte der Kapverden eingerichtet, die vor allem von einheimischen Schülern und Studenten genutzt wird.

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