Reise-Apps im Praxistest: Und dann lieblos in die Irre geleitet

Das Potenzial von Reise-Apps für iPad- oder Smartphone wird nicht ausgeschöpft. Die Fülle der Möglichkeiten wird ignoriert.

Ganz real: Frühling in Dresden Bild: dpa

Kofferpackhilfe, Währungsumrechner, Dolmetscher oder Reiseführer - zahlreiche Apps sollen iPad- oder Smartphone-Nutzern auf Reisen das Leben erleichtern. Die Vorteile gegenüber dem klassischen Reiseführer liegen auf der Hand. Smartphone und iPad sind leicht und passen in jede Tasche. Bereits vorinstallierte Grundfunktionen wie die Standortbestimmung via Satellit, der eingebaute Kompass oder der Internetzugriff bieten bislang ungeahnte Möglichkeiten. Die Suche nach dem nächstgelegenen Café oder Museum wird so zum Kinderspiel: Durch die automatische Anbindung an Google-Maps und den Routenplaner kann man sich nicht verlaufen.

Einen Haken hat die Sache allerdings: Ohne Internetanbindung ist dieser Service nutzlos. Leider steht aber selbst in Großstädten kein lückenloses WLAN-Netz zur Verfügung. Und wer sich am Urlaubsort über das Handy ins Internet einwählt, muss mit happigen Roaming-Preisen rechnen - vor allem im außereuropäischen Ausland, dort kann eine Minute bis zu einem Euro kosten.

Die Informationen, die Reiseanwendungen bieten, könnten durchaus ausführlicher sein. Die Reise-App von Marco Polo über Dresden beispielsweise wartet mit drei Sätzen zur Frauenkirche auf. Auch mit Fotos geizt der renommierte Verlag bei seiner App. Dabei ist insbesondere das iPad mit seinem wirklich guten Display doch bestens geeignet für schöne Fotostrecken oder auch Videos. Noch nicht einmal ein Straßenbahnplan ist inklusive. Stattdessen gibt es einen integrierten Taxi-Ruf. Für mehr als einen kurzen Stadtrundgang zu den bekanntesten Sehenswürdigkeiten reichen die Informationen nicht. Das Faltblättchen mit Stadtplan, das man in jeder Touristeninformation kostenlos bekommt, muss den Vergleich nicht scheuen.

Deutlich umfangreicher ist die Dresden-Reise-App von Cityscouter - statt Kurzinformationen im Telegrammstil gibt es hier eine Menge zu lesen. Die mehrseitigen Texte werden allerdings schlecht lesbar in altmodischer Serifenschrift präsentiert, und Bilder gibt es auch hier nicht zu sehen - ein zeitgemäßes Layout sieht anders aus. Auch sonst ist die App nicht auf der Höhe der Zeit: „Vom Café zur Frauenkirche kann man sozusagen hautnah den Aufbau des Dresdener Wahrzeichens miterleben“, heißt es da. Dass der Wiederaufbau bereits 2005 abgeschlossen wurde, ist der Redaktion anscheinend entgangen. Die Texte enthalten zahlreiche Rechtschreibfehler und Grammatikschnitzer. Viel Zeit scheint dieser Anbieter nicht in die Entwicklung seiner App investiert zu haben.

Der Gastronomieteil führt völlig in die Irre. Das Frühstückscafé, das die App Touristen mit blumigen Worten ans Herz legt, ist seit Jahren geschlossen. Die Gastronomie ist ein schnelllebiges Geschäft - auch in gedruckten Reiseführern sind Tipps zu Restaurants, Cafés und Clubs oft überholt. In dem Bereich könnten Apps die Nase vorn haben, denn ein Button zur Aktualisierung ist angelegt. Schade nur, wenn der nicht funktioniert, weil überhaupt keine Aktualisierungen vorliegen.

Ganz praktisch für Planer ist allerdings die Möglichkeit, eine Liste von Attraktionen zu erstellen, die man besuchen möchte. Wer will, kann einen integrierten Terminkalender nutzen. Wenn man sich jetzt noch eine Route für seine Touren zusammenstellen könnte, wäre der Service perfekt. Doch diese Möglichkeit besteht nicht. Bewertungen der besuchten Orte kann man direkt in den Reiseführer tippen. Bewertungen anderer Reisender, die ja viel interessanter wären, sucht man vergeblich.

Verglichen mit Reiseführern in Papierform sind die Apps übrigens ein echtes Schnäppchen: Viele sind momentan kostenlos oder für drei bis vier Euro zu haben. Wer allerdings gerne über Geschichte, Kultur und Land und Leute schmökern möchte und auf einen umfangreichen Serviceteil setzt, sollte doch lieber das Geld in einen „richtigen“ Reiseführer investieren.

Bei der Internationalen Tourismusbörse (ITB) in Berlin waren die Reiseapplikationen in diesem Jahr zum ersten Mal ein Schwerpunkt. Flüge buchen, Hotels finden, Flirtsprüche in die jeweilige Landessprache übersetzen oder Wanderungen planen - all das geht mit Applikationen, und die Nutzer laden sie gerne herunter. Die Reiseführerverlage und andere Anbieter wittern das große Nebenbeigeschäft und überschwemmen den Markt mit Angeboten. Wer jedoch nur lieblos Bruchstücke der Inhalte des gedruckten Reiseführers in eine App überträgt und die Fülle der Möglichkeiten ignoriert, die mobile Endgeräte bieten, wird sich nicht allzu lange am Markt halten können. Die Apps hätten durchaus Potenzial - ausgeschöpft ist es noch lange nicht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.