500 Jahre christliche Reformation: Alles in Luther

Die Reformation gemeinsam betrachten: Die evangelische und die katholische Kirche haben sich auf einen Text verständigt.

Eine Büste Martin Luthers

Hat einst entzweit: Martin Luther Foto: dpa

BERLIN taz | Mit trockenem Humor und sanfter Ironie versuchte es am Freitag der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm: „Natürlich feiern wir dieses Jubiläum mit einem unterschiedlichen Begeisterungslevel.“ Sein katholischer Gegenpart Reinhard Kardinal Marx, Erzbischof von München, bemühte dagegen das Pathos: Er nannte das Geschehen „ein fast revolutionäres Ereignis“.

Es ging um einen gemeinsamen programmatischen Text, den die EKD und die katholische Kirche in Deutschland an diesem Tag in München veröffentlicht haben. Unter dem Titel „Erinnerung heilen – Jesus Christus bezeugen“ stellten die beiden Volkskirchen mit ihren rund 47 Millionen Gläubigen hierzulande ein „gemeinsames Wort zum Jahr 2017“ vor – dem Reformationsjubiläum, das ab Ende Oktober, vor allem aber im kommenden Jahr intensiv begangen werden wird: 500 Jahre nach der Veröffentlichung der 95 Thesen Martin Luthers in Wittenberg, mit dem die Reformation und die spätere Spaltung der abendländischen Kirche begann.

Der Clou dabei: Im vergangenen halben Jahrtausend ist es den Katholiken und Protestanten nie gelungen, auf kirchlicher Ebene eine gemeinsame Sicht auf das welthistorische Ereignis des Spätmittelalters zu gewinnen – geschweige denn, es gemeinsam in der Öffentlichkeit zu präsentieren.

Der Grund ist einfach: Während der Thesenanschlag Luthers und seine Folgen für die evangelische Kirche im wesentlichen freudige Ereignisse sind, ja der Sieg eines erneuerten Glaubens bedeuten, stellt die Reformation für Katholiken vor allem eine Niederlage dar, nämlich die anhaltende Spaltung der einen Kirche Christi – also nichts, was man eigentlich feiern könnte. Ganz abgesehen von den Glaubenskriegen, die in Folge der Reformation in Europa wüteten, allen voran der Dreißigjährige Krieg (1618 – 1648), der nicht nur, aber eben auch religiöse Gründe hatte.

Hauptstreitpunkte in der Ökumene

Während sich die EKD schon seit etwa zehn Jahren auf aufwändige Reformationsfeierlichkeiten einstellt und dafür auch viel staatliche Hilfe erhalten hat, wusste die katholische Kirche Deutschlands lange Zeit nicht recht, wie man sich der großen Feierei der evangelischen Schwestern und Brüder stellen sollte. Insofern ist das gemeinsame Wort zum Reformationsjubiläum schon ein recht eindrucksvoller Schritt in der Ökumene – ebenso wie das Bekenntnis der beiden höchsten Repräsentanten der beiden Volkskirchen, Bedford-Strohm und Marx: „2017 werden wir erstmals in der Geschichte der getrennten Kirchen die Erinnerung an den 500. Jahrestag der Reformation auch in ökumenischer Gemeinschaft feiern.“

Die bisherigen Reformationsjubiläen der Geschichte, etwa 1817, 1917 und so weiter haben in der Regel eher die konfessionellen Hürden erhöht, als sie zu senken. Das soll nun anders sein, man will das Verbindende betonen, nicht das Trennende – und das gemeinsame Wort bietet dafür die theologisch-programmatische Grundlage. Dazu gehören etwa von katholischer Seite auch lobende Worte zum Reformator Luther: „Wir können heute auch als Katholiken unumwunden sagen, dass er eigentlich keine neue Kirche gründen wollte. Er wollte den Blick auf den gnädigen und barmherzigen Gott lenken und den Menschen seiner Zeit Mut machen, ihr Leben ohne Angst in diesem Gott festzumachen“, sagte Kardinal Marx.

Der knapp 90-seitige Text ist weitgehend in theologisch-kirchlicher Sprache gehalten, aber durchaus auch für Nicht-Fachleute lesbar.

Der knapp 90-seitige Text ist weitgehend in theologisch-kirchlicher Sprache gehalten, aber durchaus auch für Nicht-Fachleute lesbar. Die Stärke des „gemeinsamen Wortes“ liegt darin, dass relativ nüchtern beschrieben wird, wie es zur Reformation und zur Kirchenspaltung kam – und wo die Hauptstreitpunkte in der Ökumene weiterhin liegen.

Versöhnungsgottesdienst geplant

Ein großer Stolperstein ist dabei etwa das Abendmahlverständnis, das beide Konfessionen trennt, und zwar seit rund 500 Jahren. Also, grob gesagt: Passiert da irgendetwas bei der Segnung mit Brot und Wein während des Gottesdienstes? Und kann man das Abendmahl als katholische und evangelische Gläubige zusammen feiern, auch wenn man noch keine volle Gemeinschaft miteinander hat?

Der nun vorliegende Text räumt diese Hürden nicht zur Seite. Aber er will dazu beitragen, dass durch gemeinsames Erinnern ein Prozess in Gang kommt, der verbindet – „Heilung der Erinnerung“ genannt. Etwas pathetisch sagt dazu Bedford-Strohm: „Aufrichtige Versöhnung kann man nicht kommandieren, sondern nur empfangen. Die Erinnerung an Vergangenes kann dann benannt werden, ohne dass die Wunde wieder schmerzt.“

Konkret soll es am 11. März kommenden Jahres einen großen ökumenischen Versöhnungsgottesdienst in der Kirche St. Michaelis in Hildesheim geben – mit Marx und Bedford-Strohm, so ist es geplant. Außerdem rufen die katholische Bischofskonferenz und die EKD die Gemeinden ihrer beiden Konfessionen auf, ähnliche Feiern auf lokaler und regionaler Ebene ebenfalls zu veranstalten.

Das „gemeinsame Wort“ bietet dafür einen „Liturgieentwurf“ an, der von den Pfarrerinnen und Pfarrern der Volkskirchen bei solchen ökumenischen Gottesdiensten übernommen werden kann. In diesem Entwurf wird dem katholischen Priester vorgeschlagen, unter anderem folgendes Schuldbekenntnis zu sprechen: „Ich bekenne, dass die Freude des Glaubens in Hochmut verkehrt worden ist. Wo es um Gottes Ehre gehen sollte, stand menschlicher Stolz im Vordergrund.“ Und der oder die evangelische Geistliche kann beten: „Ich bekenne, dass Christen und Christinnen in Eifer und Unduldsamkeit Krieg gegeneinander geführt haben. … Die Geschichte der Verletzungen endet nicht, wo die Waffen niedergelegt werden. Wir haben an ihr teil, wenn wir einander in Gedanken, Worten und Werken verachten, verletzen und verurteilen.“

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