Leben und Sterben des Universums

LIDOKINO 1 Todesbekämpfer, Western-Remakes und Hollywood-Nostalgie: Heute beginnen die 73. Filmfestspiele von Venedig

Unsterblichkeit ist – implizit – in fast jeder Kunstform ein Thema – oder ihr Antrieb. Das mag der Wunsch sein, über das eigene Werk der Begrenztheit des Lebens ein Schnippchen zu schlagen oder die Verewigung etwa von Körper und Stimme im Film. Man kann sich auch ganz direkt mit der Unsterblichkeit befassen, wie es die Filmemacher Massimo D’Anolfi und Martina Parenti in ihrem Dokumentarfilm „Spira mirabilis“ tun. Über die vier Elemente Wasser, Luft, Erde, Feuer und, als weiteres Element, den Äther nähern sie sich der Unsterblichkeit als einer Überwindung des Todes.

Mit „Spira mirabilis“ haben D’Anolfi und Parenti es in den Wettbwerb der 73. Ausgabe der Filmfestspiele von Venedig geschafft. Es ist, unter den 20 Beiträgen, die um den Goldenen Löwen konkurrieren, einer von zwei Dokumentarfilmen – der andere stammt von Altmeister Terence Malick, der mit ­„Voyage of Time: Life’s Journey“ ein ähnliches Sujet gewählt hat: das Leben und Sterben des Universums. „Spira mirabilis“ ist dabei der einzige Film im Wettbewerb mit Beteiligung einer weiblichen Regisseurin.

Für die Beurteilung ist diesmal der britische Regisseur Sam Mendes als Präsident der Jury hauptverantwortlich. Mendes gelang mit seinem Spielfilmdebüt „American Beauty“ 1999 ein hollywoodtauglicher Independent-Kino-Erfolg. Inzwischen hat er schon zwei James-Bond-Filme künstlerisch geleitet. An seiner Seite votieren werden unter anderem die US-amerikanische Künstlerin, Musikerin, Filmemacherin und Autorin Laurie Anderson, die deutsche Schauspielerin Nina Hoss, der US-amerikanische Dokumentarfilmer Joshua Oppenheimer und der venezolanische Regisseur Lorenzo Vigas, der im vergangenen Jahr für seinen Film „Desde allá“ den Goldenen Löwen erhielt.

Unter den Wettbewerbern gibt es einige sehr vertraute Namen, wie den serbischen Regisseur Emir Kusturica („On the Milky Road“), seinen deutschen Kollegen Wim Wenders („Die schönen Tage von Aranjuez“) oder den französischen Filmemacher François Ozon, der seine deutsch-französische Liebesgeschichte „Frantz“ aus der Zeit des Ersten Weltkriegs vorstellen wird. Ozons Landsmann Stéphane Brizé, der im vergangenen Jahr in Cannes für „La loi du maché“ zwei Preise gewann, ist in Venedig mit „Une vie“, einer Adaption des gleichnamigen Romans von Guy de Maupassant vertreten.

Unter den jüngeren Regisseuren zeigt sich der Chilene Pablo Larraín gerade höchst produktiv. Nachdem er erst im Mai sein Drama „Neruda“ in Cannes präsentierte, legt er in Venedig jetzt mit „Jackie“ nach, einem Biopic über Jacqueline Kennedy. Schaffenskräftig zeigt sich ebenfalls der Philippiner Lav Diaz, der im Februar auf der Berlinale für seinen achtstündigen Schwarz-Weiß-Film „A Lullaby to the Sorrowful Mystery“ geehrt worden war. Seine in Venedig eingereichte Arbeit „The Woman Who Left“ ist mit gut dreieinhalb Stunden Laufzeit vergleichsweise kurz geraten.

Die in Hollywood derzeit beliebten Remakes schließlich, die in diesem Sommer schon für viel Verdruss sorgten, kommen ebenfalls zur Geltung. So beschließt der Hollywood-Regisseur Antoine Fuqua das Festival mit „Die glorreichen Sieben“, einer Neuauflage des Western-Klassikers von 1960.

Und zur Eröffnung gibt es – nachdem dieses Jahr auf der Berlinale und in Cannes schon Hollywood-Nostalgie zum Auftakt geboten wurde – auch in Venedig einen Film desselben Schlags: Die Musical-Romanze „La La Land“ lässt die jungen Stars Emma Stone und Ryan Gosling sich in Los Angeles als aufstrebende Künstler abmühen. Für die Regie ist jedoch kein Altmeister verantwortlich, sondern der 1985 geborene US-Amerikaner Damien Chazelle, der sich schon in seinem Debütfilm „Guy and Madeline on a Park Bench“ auf das Jazz-Musical-Fach verlegte. Dazu bald mehr. Tim Caspar Boehme