Melkkuh Tierfreund

Betrugsprozess gegen ehemaligen Chef des Tierhilfswerkes geht in letzte Phase. Verein wirbt weiter um Mitglieder. Skandalschatzmeister nach wie vor im Amt

BERLIN taz ■ 260.000 zahlende Mitglieder zählt das Deutsche Tierhilfswerk (DTHW). Mit monatlichen Beiträgen zwischen 5 und 13 Euro spülen sie jährlich rund 16 Millionen Euro in die Vereinskassen. Bekannt ist der Verein aber vor allem durch seinen ehemaligen Chef, Wolfgang Ullrich.

Der gebürtige Schwabe wurde im Februar 2001 aus Thailand an Deutschland ausgeliefert. Seitdem wird ihm in München der Prozess gemacht. Die Staatsanwaltschaft wirft Ullrich vor, allein in den Jahren 1994 bis 1998 60 Millionen Mark veruntreut zu haben. Sein Leben soll er damit am Strand von Pattaya, einem verrufenen thailändischen Badeort, genossen haben. Der Prozess stand bereits mehrere Male vor dem Abschluss und wurde durch immer neue Beweisanträge der Verteidiger verzögert. Mit dem Prozessabschluss wird nun Anfang September gerechnet.

Während der alte Vorsitzende in Untersuchungshaft sitzt, setzt das DTHW seine umstrittenen Werbemethoden fort. Mit grausamen Bildern versucht es, Passanten zur Mitgliedschaft zu überreden. Die vorzugsweise jugendlichen Drücker erzählen gerne von Kampagnen und Presseoffensiven, mit denen der Verein Abhilfe schaffe. Die Pressesprecherin war jedoch nicht bereit, der taz telefonisch eine einzige Kampagne zu nennen. Auch schriftliche Anfragen der taz blieben unbeantwortet. Auf der Homepage des Vereins gibt es aus diesem Jahr ganze drei Pressemitteilungen. Davon ist eine bereits im Jahr 2000 erschienen. Der Ticker der Deutschen Presseagentur erwähnt den Verein fast nur im Zusammenhang mit Spendenskandalen.

Davon weiß der überrumpelte Passant nichts. Eine Verankerung des Tierschutzes im Grundgesetz oder der Stopp von qualvollen Tiertransporten scheinen unterstützenswerte Anliegen zu sein. „Die Einzugsermächtigung kann ich jederzeit widerrufen“, unterschreibt er beruhigt. Dass die Mitgliedschaft aber mindestens zwei Jahre dauert, steht nur im Kleingedruckten auf der Rückseite.

Diese Methoden sind nicht verboten, denn das DTHW hat bereits 1991 seine Gemeinnützigkeit verloren. Einige Tierschutzorganisationen, wie der Deutsche Tierschutzbund, schließen daher jede Zusammenarbeit mit dem DTHW aus.

Andere sind wenig kritisch und leihen sich sogar Geld beim unseriösen Konkurrenten auf den Spendenmarkt. Noch im vergangenen Jahr hat das DTHW dem Naturschutzbund (Nabu) in Hamburg einen Kredit von 275.000 Mark zu „günstigen Konditionen“ gewährt, wie ein Nabu-Sprecher der taz bestätigte. Mit der Verhaftung des ehemaligen Vorsitzenden ist für die größte deutsche Naturschutzorganisation die Diskussion über das DTHW abgeschlossen.

Andere Vereine wie die Seehundaufzuchtsstation in Norddeich werden von den vermeintlichen Tierschützern mit Fahrzeugen oder Ähnlichem gesponsert, kleineren Organisationen überweisen sie ein paar hundert Euro. Bei dem Haushaltsvolumen von geschätzten 16 Millionen Euro sind das Peanuts. Die unterstützten Vereine müssen aber als Kooperationspartner herhalten. Mit fremden Projekten wird dann im Internet und an den Drückerständen um weitere Mitglieder geworben.

Nicht nur seinen umstrittenen Methoden, auch alten Köpfen ist das DTHW treu geblieben. Als amtierenden Vorstand weist das Vereinsregister Hans-Georg Raubach aus. Raubach war bereits Schatzmeister, als Spendenmillionen zu Ullrich nach Thailand strömten. Raubach will von den Praktiken natürlich nichts gewusst haben. Eine weitere schillernde Person im Tierhilfswerk ist die Rechtsanwältin Evelyne Menges. Sie saß bis zur letzten Wahl für den rechtslastigen Bund Freier Bürger (BfB) im Münchner Stadtrat. Als sich die vom Verfassungsschutz beobachtete Partei auflöste, trat sie zur CSU über. Neben dem Tierhilfswerk vertritt sie auch eine Organisation namens Mut e. V. Auch dieser Verein ist mit dem DTHW eng verflochten und wirbt mit kostenpflichtigen Infoständen in Einkaufzentren und Bahnhöfen mit DTHW-Methoden um Mitglieder. Wer nicht unterschreibt, wird nicht selten übel angeraunt. Menges gilt als Expertin für Vereins- und Stiftungsrecht. Sie weiß, wie man mit Vereinen Geld machen kann.

PHILIPP HORSTMANN