„Engelke ist die erste Frau im Fernsehen, bei der Männer den Intellekt vermisst haben. Ein großer Fortschritt“

Von Anke Engelke zu Annette Schavan: Die Kabarettistin Maren Kroymann über das größte deutsche Tabu: Die intellektuelle Frau

INTERVIEW PETER UNFRIED

taz: Frau Kroymann, demnächst bestimmt wieder Harald Schmidt, worüber und wie gelacht werden darf in Deutschland. Ist alles wieder gut?

Maren Kroymann: Schmidt ist vor allem ein Männeridol. So wie dreizehnjährige Mädchen für Britney Spears schwärmen, finden Männer, speziell die Männer vom Feuilleton, Harald Schmidt toll. Sie sind irrational verliebt in ihn. Frauen werden von Schmidt häufig scheiße behandelt.

Wie konnte überhaupt mit Anke Engelke ein Frau Late-Nite-Chefin von Deutschland werden?

Sie war unter den Comedians der etablierteste Star. Sie kann viel, ist sehr intelligent und war ein Sat.1-Gesicht.

Sie wurde aus dem Amt gemobbt.

Zum einen hat Sat.1 anscheinend unterschätzt, dass ein Comedian nicht ohne weiteres die Rolle des Intellektuellen übernehmen kann. Ganz zu schweigen von einer Comedienne.

Warum?

Man kann eine Person, die eine gute Darstellerin ist, auch wenn sie so begnadet ist wie Anke Engelke, nicht mit jemandem gleichsetzen, der ein Konzept hat. Aber das grundsätzliche Problem ist ein anderes: Irgendwann kam das Engelke-Bashing zum entscheidenden Punkt: „Wer will sich von einer Frau die Welt erklären lassen?“

Der SZ-Vorwurf: Engelke übernahm ein Amt, das eigentlich nur ein Mann ausüben darf.

Ja. Das ist eine wesentliche Macht im Staat. Wer vorgibt, über was gelacht werden darf, hat eine sehr mächtige Position. Er ist der Intellektuelle, von dem man wissen will, was er denkt. Offenbar hat sich Herr Schawinski das nicht klar gemacht. Dabei ist das Teil der Männerwelt: Bestimmte Sachen dürfen Männern nur Männer sagen. In Schmidts teilweise schon sehr frauenfeindlichen und auch homosexuellenfeindlichen Witzen fühlten die Männer sich aufgehoben. Übrigens auch in seiner model- und jungmoderatorinnenlastigen Gästeauswahl.

Ein Hauptvorwurf an Engelke lautete: Sie sei nicht intellektuell.

Sehen Sie, das ist der große Fortschritt der Engelke-Diskussion: Es ist das erste Mal, dass bei einer Frau im Fernsehen der Intellekt vermisst wurde. Es wurde beklagt, dass sie bloß gut aussieht. Der Skandal ist, dass davor nie nach dem Intellekt gefragt wurde. Für erotische Ausstrahlung oder schräges Outfit kriegen Frauen tausendmal mehr Feedback als für kluge Sätze, die sie selbst geschrieben haben. Schmidt und davor Dieter Hildebrandt als satirische Leitfiguren sind intellektuell – übrigens ohne übermäßig gut auszusehen. Dazu gibt es auf weiblicher Seite kein Gegenmodell. Das ist das wirkliche Tabu.

Frauen als Comedians …

… sind im Fernsehen, weil sie gut aussehen und permanent aufgekratzt sind. Es ist die Mischung aus Nettigkeit, Titten und ein bisschen Frechheit, die es macht.

Barbara Schöneberger wurde abgestraft, obwohl sie sich nett herzeigte.

Schöneberger ist richtig intelligent, hatte aber wie Engelke zuerst einen Hype und wird jetzt unter Wert gehandelt.

Warum?

Kritiker stellen irgendwann fest: Oh, die hab ich zu sehr gehypet. Sie schreiben die Frau dann konsequent runter, um das wieder zu relativieren. Ist doch klar, dass die sensationelle Oberweite von Schöneberger nichts mir ihren komödiantischen Fähigkeiten zu tun hat. Da fahren vor allem männliche Kritiker drauf ab. Aber Schöneberger ist ein gutes Beispiel für eine Abbildungskarriere. Ein großes Foto ersetzt den Text.

Legendär, als Schöneberger klagte, sie werde auf ihre Oberweite reduziert.

Natürlich drehen sich zwei Drittel der Zeitungsberichte um ihre Oberweite. Wenn Schöneberger im Stern das Dekolletee aus dem Kleid quillt, sieht man schon, dass sie sich selbst auch ironisch sieht. Aber so eine Pose ist auch absichtsvoll. Mit diesen Fotos wurde Karriere gemacht, danach kam sie hoch.

Und Engelke?

Ab einem gewissen Punkt auch. Ich erinnere mich genau an dieses Coverfoto auf der TV-Spielfilm. Es zeigte sie in so einer Sexy-Pose. Es wurde bundesweit plakatiert und von Bild nachgedruckt.

Ab da dachten die Männer, Mensch, die Anke ist ja ein Sex-Symbol?

Genau, sie regte Männerfantasien an. Das war eine neue Stufe. Diese Abbildbarkeit bedeutete den Übergang von der hochbegabten, witzigen Humor-Fachfrau zum Star. Sowohl bei Engelke als auch bei Schöneberger hat sich das allerdings gerächt.

Wer hat sich gerächt?

Es ist, als ob sich die Männer dafür rächen, dass die sie angetörnt haben. Dabei machen Engelke und Schöneberger nur, was ihnen erfolgversprechend zu sein scheint.

Sie selbst haben keine Abbildungskarriere gemacht.

Ich will das nicht. Ich wollte auch beim Lesben-Stern nicht aufs Titelbild, weil ich nicht als Lesbe bekannt werden wollte, sondern als Kabarettistin und Schauspielerin. Das ist auch eine Generationenfrage. Die Jüngeren hätten gesagt: ein Titel erhöht meine Chance bei den Sendern.

Ihre wurde durch ihr Outing verringert.

Ja, und ich bin nicht abgepuffert durch eine Abbildungskarriere. Ich habe verweigert zu zeigen, dass ich eine gute Figur habe und Männerfantasien anregen kann. Ich bin zu feministisch, um das zu machen. Außerdem ist mein Busen nicht groß genug. Mein Sendeplatz …

der Ihrer ARD-Kabarettsendung „Nachtschwester Kroymann“ …

… fiel übrigens weg, als „Christiansen“ anfing. Da hieß es: Wieso, ist doch auch wieder eine Frau! Mir wurde von den ARD-Männern konkret nie gesagt, wir senden Sie nicht, weil sie zu feministisch sind und lesbisch und uns überhaupt die ganze Richtung nicht passt. Es hieß, ich sei männerfeindlich und böse.

Sie erzählten Menstruationswitze.

Das war meine Macht zu entscheiden, worüber gelacht wird. Männer versichern sich ihrer Macht mit Witzen über Minderheiten und Randgruppen. Frauen dürfen sich selbstironisch darüber lustig machen, dass sie nicht an der Macht sind.

Wie finden Sie denn die mächtige Sabine Christiansen?

Christiansen ist die Doris Day des Journalismus. Intelligent genug, zu begreifen, was man von ihr will. Sie wurde auch nicht umsonst am Ende ihrer „Tagesthemen“-Zeit Miss Fleurop. Sie funktioniert im Sinne der Männer, die ihr die Sendung gegeben haben. Und der Politiker, die bei ihr unwidersprochen alles sagen dürfen.

Sie wird ja gerne auf ihre Beine reduziert. Eine Abbildungskarriere?

Nein. Christiansen war nie ein reines Fotografierobjekt. Sie war zwar am Anfang bei den „Tagesthemen“ eine ebenso gut aussehende wie unerfahrene Journalistin. Aber Journalistin. Sie hat sich da durchgekämpft und ist heute eine reiche, auch einflussreiche Frau.

Ist das ein Lebensmotiv, an dem sie sich abarbeiten? Das männliche Vorurteil: Eine Frau, die intelligent ist, kann nicht attraktiv sein, und umgekehrt?

Wir Mädchen auf dem humanistischen Gymnasium galten als hässlich. Entweder hässlich und klug, oder hübsch und dumm. Die soziale Definition kam über den Mann. Das ist noch nicht völlig hinfällig geworden. Annette Schavan …

die Kultusministerin von Baden-Württemberg …

… ist ein Beispiel dafür. Sie gilt als klug, aber nicht schön. Stoiber hat über Merkel gesagt, sie könne mehr aus sich machen. Ganz perfide.

Stoiber irrt: Politikerinnen müssen sich entfraulichen.

Da tun sie auch gut daran, keine Frauensignale zu senden, denn da wird ihnen mehr Kompetenz zugetraut. Sonst gilt man schnell als dummes Blondchen. Bei der CDU war immer auch das Trutschige erlaubt, speziell bei den Familienministerinnen. Was aber zu jeder Zeit verboten war: die Intellektuelle. Das ist das Schlimmste, was eine Frau ausstrahlen kann. Das wird bestraft.

Schavan gilt als intellektuell. Haben Männer Angst vor intellektuellen Frauen?

Ja, das ist Angst. Es ist leichter, eine Frau gelten zu lassen, wenn man das Gefühl hat, sie ist nicht überlegen. Das ist auch die Besetzungsstrategie bei Quotenfrauen. Frauen, die gar keinen Anspruch haben, werden mehr gemocht.

Schavan hat keine Familie, nicht einmal einen Lebenspartner zum Herzeigen.

Eine Familie hat bei Politikerinnen auch keinen Vorzeigestatus. Allerdings verkörpert Schavan auch einen Widerspruch. Als Konservative ist sie gegen Ganztagsschulen und sagt, die Frau soll zu Hause bleiben. Sie selbst verkörpert das aber nicht.

Über Schavans sexuelle Orientierung war auf Flugblättern spekuliert worden. Mittlerweile erklärte sie, sie sei „nicht lesbisch“. Das sei „Rufmord“.

Schade, dass wir nicht wissen, was wirklich los ist. Selbst wenn sie lesbisch sein sollte, könnte sie sich nicht selbstbewusst outen, wenn sie Ministerpräsidentin werden will. Dafür ist die CDU nicht die richtige Partei, schon gar nicht in Baden-Württemberg. Und sie selbst denkt auch so konservativ, dass diese Lebensform offenbar in ihrem eigenen Weltbild nicht vorgesehen ist.

Alle betonen jetzt wieder: Sexuelle Orientierung sei Privatsache.

Also, das kann nach diesem Quasi-Outing durch Bild wirklich niemand mehr behaupten – das sich, wie gewohnt, scheinheilig als Empörung über ein Outing durch andere tarnt. Alle wollen sie’s wissen, alle: Ist sie’s oder ist sie’s nicht? Gedanklich kühn Kolumnist Wagner: Schwul-Sein in Berlin, wie Wowi, sei cool, genauso wie Nicht-lesbisch-Sein in Baden-Württemberg, wie Schavan. Ja, merkt er denn nicht, dass er damit ganz Baden-Württemberg diskriminiert? Und außerdem die tapferen schwäbischen und badischen Lesben in die homosexuellen Parallelgesellschaften von Berlin und Köln treibt? Und wo bleibt die Integration?

Welche Frauenbilder funktionieren als Politikerinnen?

Also, mir gefällt Heide Simonis. Sie hat einen Status als Original erreicht. Und es geschafft, über diese Abbildungsthematik drüber zu kommen. Ihre Hüte und Ohrringe sind kein Thema mehr. Man freut sich darauf, dass sie wieder was Schlagfertiges sagt.

Wie hat sie es gemacht?

Erst mal hat sie eine lange Karriere in der SPD hinter sich. Merkels Aufstieg ging vergleichsweise sehr schnell. Und wie bei Regine Hildebrand spielt der Humor eine große Rolle. Er macht sie ehrlich. Wer Humor hat, dem traut man auch Herz zu. Merkel und Schavan gehören nicht in diese Kategorie.

Wie weit darf denn Politikerinnen-Humor gehen?

Es muss Volkstümlichkeit da sein, und es darf nie zu intellektuell wirken. Natürlich ist Simonis auch intellektuell. Aber sie wirkt durch ihren Humor kumpelhafter und nahbarer.

Frau Kroymann, Sie sind Baden-Württembergerin: Ist es möglich, dass der Schwarzwald- oder Ostalbbauer von einer kinderlosen Frau regiert wird?

In der Stadt Tübingen ist das möglich, im Landkreis schon nicht mehr. Neulich habe ich im Fernsehen eine Umfrage gesehen, da hat ein netter, junger Mann gesagt: „Ha, des isch scho a gude Frau, aber …“

Aber was?

„Aber wie soll i sage, sie isch halt a Frau.“