AKP und HDP nach dem Putschversuch: Eine verpasste Chance für die Türkei

Nach dem Staatsstreich zeigte sich die HDP solidarisch. Doch die Regierung schließt sie weiterhin aus. Amnesty berichtet von Folterungen.

Eine HDP Demo mit vielen Menschen, die das Peace-Zeichen machen

Unterstützer der HDP demonstrieren in Diyarbakir gegen den versuchten Militärputsch Foto: ap

ISTANBUL taz | „Eine politische Versöhnung in der Türkei kann es nicht geben, wenn sechs Millionen Wähler der kurdisch-linken HDP davon ausgeschlossen werden“, sagte die Kovorsitzende der HDP, Figen Yüksekdağ, am Dienstag vor ihrer Fraktion in Ankara. „Warum wird die HDP zu den Treffen der Regierung mit den Oppositionsvertretern nicht eingeladen?“

Yüksekdağ reagierte damit auf die Charmeoffensive der Regierung und Präsident Recep Tayyip Erdoğans, die sich seit dem misslungenen Putsch vom 15. Juni verstärkt um einen Konsens mit der sozialdemokratischen CHP und der ultranationalistischen MHP bemühen.

Die kurdische HDP wird bei allen Konsultationen der Opposition bislang konsequent ausgeschlossen. Das gilt auch für Erdoğans Ankündigung, er werde seine Beleidigungsklagen gegen Oppositionspolitiker zurücknehmen – für die HDP soll das nicht gelten. Und das, obwohl die HDP wie alle anderen Parteien noch in der Nacht des Umsturzversuchs den Putsch scharf verurteilte und darüber hinaus wohl die einzige Partei im türkischen Parlament ist, die nie irgendeine Verbindung zur Gülen-Bewegung hatte.

Was aus Sicht der HDP-Spitze aber noch schwerer wiegt, ist, dass Erdoğan und die AKP keinerlei Anzeichen erkennen lassen, die neue Situation zu nutzen, bei den Friedensgesprächen mit der PKK und den Kurden einen neuen Anlauf zu machen. „Viele der jetzt als Putschisten festgenommenen Generäle und Offiziere stammen von den Einheiten, die in den Kurdengebieten im Südosten eingesetzt sind.

Auch die PKK bleibt stur

Viele verbrecherische Akte wie die Zerstörung von Cizre gehen auf deren Konto“, sagte Selahattin Demirtaş, der zweite HDP-Vorsitzende, kürzlich gegenüber ausländischen Journalisten. „Damit wäre die Chance für einen Neuanfang gegeben, die Regierung könnte sich leicht von der Kriegsführung der Gülenisten distanzieren“. Doch nichts dergleichen geschieht.

Bewohner aus Diyarbakır und anderen kurdischen Städten berichten, dass sich durch den Putschversuch nichts verändert habe. „Der Ausnahmezustand“, sagte eine kurdische Kollegin, „der jetzt auch im Westen verhängt wurde, war in den kurdischen Gebieten ja schon Monate zuvor in Kraft. Die Repression hat sich nicht verändert“.

Doch auch die PKK scheint nicht gewillt, ihre Strategie zu überdenken. In mehreren kurdischen Städten hat es Anschläge auf Polizisten und Soldaten gegeben, von militärischer Zurückhaltung ist wenig zu spüren. In den letzten zehn Tagen wurden zwölf Soldaten und mehrere PKK-Kämpfer getötet, nur wird das kaum wahrgenommen.

Eine einzige Reaktion aus Ankara hat es bislang gegeben. Die Städte Hakkâri und Şirnak sollen ihren Status als Provinzhauptstädte verlieren und an deren Stelle die noch vor wenigen Monaten stark umkämpften Städte Cizre und Yüksekova rücken. Beide sollen unter staatlicher Kontrolle ohne den Einfluss kurdischer Bürgermeister wiederaufgebaut werden.

Amnesty International (AI) wies gestern Behauptungen Erdoğans zurück, der einen AI-Bericht kritisiert hatte, nach dem gefangene Putschverdächtige gefoltert werden. „Das ist ausgeschlossen“, hatte Erdoğan gesagt.

Amnesty legte noch einmal nach und berichtete, dass es für Gefangene keine unabhängigen Besucher gebe. Auch Diplomaten, die die in Sportstadien und Reithallen zusammengepferchten Gefangenen besuchen wollten, „sind scharf zurückgewiesen worden“. AI fordert einen Zugang für Anwälte und Angehörige.

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