AKW Krümmel und Brunsbüttel: Riskanter als Fukushima

Greenpeace sieht Mängel bei Brunsbüttel und Krümmel. Ein schmelzender Kern würde nur von einer Stahlwanne aufgefangen.

Laut Greenpeace gefährlicher als das Atomkraftwerk in Fukushima: Der abgeschaltete Atommeiler Krümmel bei Geesthacht. Bild: dpa

HAMBURG taz | Die Atomkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel sind nach Einschätzung von Greenpeace gefährlicher als das stark beschädigte AKW Fukushima. Das liege vor allem daran, dass der Sicherheitsbehälter, der den Reaktordruckbehälter mit den Brennstäben und dessen Anbauten umschließt, aus Stahl statt aus Stahlbeton bestehe.

Die Umweltorganisation bemängelt außerdem, dass das Abklingbecken für abgebrannte Brennstäbe außerhalb des Sicherheitsbehälters liege und dass Notstrom- sowie Notkühleinrichtungen nicht ausreichend voneinander getrennt seien. Eine Sprecherin des Betreibers Vattenfall sagte, in Deutschland werde alles dafür getan, dass es zu einer Kernschmelze gar nicht erst komme.

Die Kritik von Greenpeace orientiert sich an der Atomkatastrophe in Japan und den Dingen, die dort schief gelaufen sind. Fazit der Umweltorganisation: Manches in Krümmel und Brunsbüttel ist genauso ungeschickt gebaut wie in Fukushima, manches sogar schlechter.

Die Siedewasserreaktoren Krümmel und Brunsbüttel gehören zu den ältesten deutschen AKW.

Siedewasserreaktoren gelten als veraltet, weil der Dampf aus dem Reaktor direkt die Turbine antreibt, statt über einen zweiten Dampfkreislauf.

Leistung: Der größte Siedewasserreaktor der Welt, Krümmel, kann brutto 1.400 Megawatt Strom erzeugen, Brunsbüttel 800 Megawatt.

Dünne Wand: Der Sicherheitsbehälter in Krümmel ist maximal sieben Zentimeter dick, der Reaktordruckbehälter darin bis zu 24 Zentimeter.

Wie der japanische AKW-Betreiber Tepco erst in der vergangenen Woche bestätigte, sind in Fukushima einige Reaktorkerne teilweise geschmolzen.

Das ist gefährlich, weil die glühend heiße Masse durch den Boden des Reaktordruckbehälters - des eigentlichen Reaktors - und des Sicherheitsbehälters sacken könnte. Wahrscheinlich würde in einem solchen Fall in großem Umfang Radioaktivität in die Umwelt gelangen.

Doch Fukushima verfügt gegenüber Krümmel und Brunsbüttel über einen Vorteil: Der Sicherheitsbehälter des japanischen Kraftwerks besteht aus einer mehrere Meter dicken Betonhülle. Sie kann Hitze viel besser widerstehen als der stählerne Sicherheitsbehälter der deutschen Siedewasserreaktoren. Während der Beton langsam mürbe würde, schmölze der wenige Zentimeter dicke Stahl binnen Minuten durch.

Greenpeace nennt das einen "folgenschweren Konstruktionsfehler", unter dem alle Siedewasserreaktoren der Baulinie 69 litten - benannt nach dem Planungsjahr 1969. Er führe dazu, dass schnell viel Radioaktivität freigesetzt werden könne und die Vorwarnzeit für den Katastrophenschutz sehr kurz sei. Im Falle Brunsbüttels liege sie bei anderthalb bis fünf Stunden, während es in Japan mehrere Tage sein könnten.

Das unterstelle, dass die Schmelze den Druckbehälter verlassen habe, sagt Vattenfall-Sprecherin Barbara Meyer-Bukow. Dabei setze die deutsche Sicherheitsphilosophie viel früher an. "Die Beherrschung von Kernschmelzunfällen ist in Deutschland nicht gefordert, weil die Anforderungen an die Vermeidung einer Schmelze so hoch sind", sagt Meyer-Bukow.

Sollte es doch einmal so weit kommen, seien alle Notfallpläne darauf ausgerichtet, den Reaktordruckbehälter zu kühlen, so dass die Schmelze darin gefangen bliebe.

Gerade die Kühlung der Reaktoren und Abklingbecken erwies sich in Japan jedoch als Problem. Nachdem durch das Erdbeben die reguläre Stromversorgung ausgefallen war, stoppte der folgende Tsunami auch die Notstromdiesel. Die Kühlwasserpumpen liefen noch eine Weile mit Batteriestrom, danach wurde die Kühlung nur noch improvisiert.

Die Notkühlsysteme in Brunsbüttel und Krümmel seien von den Kraftwerken räumlich getrennt und geschützt, versichert Vattenfall. In Brunsbüttel sorge ein unabhängiges Notstandssystem (UNS) dafür, dass stets genug Wasser die Brennstäbe umspüle.

Krümmel verfüge über eine verbunkerte Teilsteuerstelle, von der aus die Kühlung gewährleistet werden könne. Sechs Notstromdiesel an zwei Standorten, von denen einer verbunkert sei, lieferten die Energie für die Pumpen, sagt Meyer-Bukow.

Als Gefahr haben sich in Japan auch die Abklingbecken für verbrauchte Brennelemente erwiesen. Ohne Kühlung fangen sie an zu brennen und geben Radioaktivität ab. In Fukushima aber auch in Krümmel und Brunsbüttel liegen diese Becken außerhalb des Sicherheitsbehälters unter dem Dach. Geht hier etwas schief, gibt es nur eine Barriere nach draußen.

Diese sei aber durchaus von Gewicht, betont Meyer-Bukow. Die äußere Hülle des AKW Brunsbüttel könne immerhin ein abstürzendes Sportflugzeug aushalten, Krümmel sogar den Absturz eines Düsenjägers. Als Krümmel gebaut wurde, fiel immer mal wieder ein Starfighter vom Himmel, weshalb das Kraftwerk sicherheitstechnisch aufgerüstet wurde.

Krümmel und Brunsbüttel gehören zu den Atomkraftwerken, die die Bundesregierung nach dem Atomunfall in Japan am 14. März für drei Monate stillgelegt hat.

Während dieses Moratoriums soll eine Ethikkommission die Risiken der Atomenergie neu abwägen und die Regierung beraten. Dabei soll sie auf die Arbeit die Reaktorsicherheitskommission (RSK) zurückgreifen, die bis Mitte Mai untersucht, wie sicher die deutschen AKW sind. Am 16. Mai wird die RSK ihren Bericht veröffentlichen.

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