ARD-Film „Barfuß durch Australien“: Hirnlos und maximal peinlich

Der ARD-Film „Barfuß durch Australien“ ist klischeetriefend und chauvinistisch. Kein Wunder, dass sich die Regisseurin hinter einem Pseudonym versteckt.

Ein Truck mit drei Personen mitten im australischen Outback

Svenja, Kalti und sein Sohn Jack mitten im australischen Outback Foto: Sam Oster/ARD Degeto

Drehort geht vor Drehbuch, lautet ein Diktum des großen Harald Schmidt. Das Zitat wird von hilflosen Rezensenten immer neuer „Traumschiff“-Episoden ein jedes Mal wieder dankbar zitiert, weil eine bessere Erklärung ihnen auch nicht einfällt dafür, dass dieses Geisterschiff der öffentlich-rechtlichen Berieselung – anders als „Die Schwarzwaldklinik“ – nicht schon 1988 eingestellt wurde (wie man am Sonntagabend wieder sehen konnte in Folge 96: „Bahamas“).

And now for something completely different, nämlich zur ARD und wie man dort das offenbar zu Jahresbeginn besonders große Fernweh des deutschen Fernsehpublikums bedient. Ferner geht es nicht als mit einem Film, der in Australien spielt, einem Land, mit dem deutsche TV-Weltenbummler einst durch die Serie „Die fliegenden Ärzte“ (1985–1993) vertraut gemacht wurden. Sie werden sich auch nicht weiter wundern, wenn der erste Satz, der hier in einem australischen Schulbus gesprochen wird, auf Deutsch ist. Und dieser lautet: „Und, was geht, Alter?“

Für alle Nachgeborenen, die es gewohnt sind, Programme in der Originalsprache zu streamen, und die dieses Programm natürlich ohnehin nicht einschalten werden, wird irgendwann die völlig egale Erklärung nachgeschoben, dass der Vater des indigenen Jack (Tjiirdm McGuire) einst in Heidelberg Jura studiert haben soll. So plaudert der Sohn mit dem Vater wie mit seiner besten deutschen Freundin (Amira Demirkiran) nun halt auf – synchronisiertem – Deutsch.

Toll: Zwei, die sich verstehen, während seine australischen Mitschüler den Aborigine, also den Einheimischen, einen „Affen“ nennen, weil er zum Sprint im Schulsport barfuß antritt. Fragt sich, wer hier der schlimmere Chauvinist ist: der – fiktive – Schüler, dem er den „Affen“ in den Mund gelegt, oder der Drehbuchautor, der sich so was ausgedacht hat, Gernot Gricksch heißt er übrigens.

Von Klischees nicht befreit

So klischeetriefend wie die Naturverbundenheit der Indigenen kommt hier auch die Mutter des Mädchens als unfreiwillige Karikatur der humorlosen, kühlen Deutschen daher: „Zeigen Sie mir bitte die Unterlagen über die letzten Wartungen und Checks. Die Sicherheitszertifikate des Board of Tourism. Aktuelle First-Aid-Bescheinigungen. Fahrtenbuch. Bilanzen der letzten sechs Monate. Ziemlich heiß hier an Board – haben Sie keine Klimaanlage? Ohne diese Dokumente kann ich Ihren Vertrag leider nicht verlängern.“ Sie restrukturiert Hotelanlagen, wie sie ihren Job selbst beschreibt, macht „aus welchen mit drei Sternen solche mit vier oder fünf Sternen“.

„Barfuß durch Australien“ am 3.1. um 20:15 in der ARD

Der Zufall – oder Autor Gricksch – will es so, dass sie nun also ausgerechnet Jacks Vater (Aaron Pedersen) die Kündigung aussprechen muss: dem Heidelberger Juristen, der nach Australien zurückgekehrt ist und sein Geld mit Bootstouren für Touristen verdient. Sein Boot ist ihr zu marode, doch ausgerechnet mit ihm und auf seinem heruntergekommenen Kutter muss sie die Verfolgung der beiden Heranwachsenden antreten. Diese wiederum haben sich zur gemeinsamen Initiation auf den „Walkabout“ ins „Outback“ begeben.

Die Sorge der Mutter – „Hier gibt’s Schlangen, Skorpione, Dingos, alle möglichen Scheißkillerrabbelviecher!“ – werden sich als allzu berechtigt erweisen; und am Ende werden sich nicht etwa die mit der Natur verbundenen Australier, sondern die patenten deutschen Frauen für die Rettung, fliegende Ärzte inklusive, einsetzen.

Versteckt hinter einem Pseudonym

Im klassischen Hollywood-Kino steht Alan Smithee als Pseudonym für einen fiktiven Regisseur, wenn der eigentliche Regisseur seinen Namen nicht mit dem Werk in Verbindung gebracht haben möchte. Dass dieses deutsche, bereits im Frühjahr 2020 abgedrehte und seitdem in irgendeinem Giftschrank der ARD eingelagerte, pardon: hirnlose Machwerk der Regisseurin Yasemin Şamdereli („Almanya – Willkommen in Deutschland“) nun so furchtbar peinlich ist – man versteht es sofort.

Die Möglichkeit, sich hinter einem rufschützenden Pseudonym zu verstecken, gibt es für Schauspieler nicht. Die kühle deutsche Mutter wird gespielt von der (etwa aus dem Rostocker „Polizeiruf“) maximal renommierten, offensichtlich von Harald Schmidt beratenen Anneke Kim Sarnau. Sie hatte hoffentlich den Arbeitsurlaub ihres Lebens!

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