ARD zeigt Rommel-Film: Auf der Suche nach dem guten Nazi

Am Donnerstag zeigt die ARD einen Film über Erwin Rommel. War der bekannteste deutsche Heerführer im Widerstand gegen Hitler?

Ein menschlicher, ein kritischer Offizier – Ulrich Tukur (re.) als Erwin Rommel. Bild: ARD/SWR

Wie kein anderer der deutschen Wehrmachtsgenerale stand im Nachkriegsdeutschland der Feldmarschall Erwin Rommel für das Bild des anständigen, auch gegenüber dem militärischen Gegner fairen, mutigen, dabei mit den einfachen Landsern verbundenen Befehlshabers. Er galt als erfindungsreicher Taktiker und Stratege, als „Wüstenfuchs“, der im Afrika-Feldzug oft genug die englischen Feinde narrte.

Und sein erzwungener Selbstmord nach dem Scheitern der Offiziersverschwörung des 20. Juli hat ihn schließlich mit der Gloriole des Widerstandskämpfers umgeben. Rommel wurde nie an der Ostfront eingesetzt, tätige Beihilfe, gar Mittäterschaft am Mord an den Juden und der Zivilbevölkerung der von den deutschen besetzten Gebiete war ihm nicht nachzuweisen

Dieses makellose Bild wurde stark von der englischen Militärgeschichtsschreibung unterstützt und heldenbiografisch unterfüttert, wie beispielsweise schon in der Biografie Desmond Youngs aus den 50er Jahren nachzuweisen ist. Mag sein, dass eine solche Betrachtungsweise der Konzentration auf das „rein Militärische“ geschuldet war.

Sie erleichterte auf alle Fälle, dass die Wiederaufrüstung Westdeutschlands in der alliierten Öffentlichkeit leichter geschluckt wurde. Gehörten nicht Offiziere wie Hans Speidel, der Stabschef Rommels und Mitverschwörer des 20. Juli, zu den Architekten der neuen Bundeswehr?

Der Gegenmythos der Bundesrepublik

Man muss Rommels ruhmvolles Nachleben auch in der Funktion sehen, die ihm im Nachkriegsdeutschland im Rahmen der Ost-West-Auseinandersetzung zukam. Während die DDR den kommunistischen Widerstandskämpfern und den mit ihnen Verbündeten im Rahmen der Geschichte des Antifaschismus ihre konzentrierte Aufmerksamkeit schenkte, ging es in der Bundesrepublik darum, mit der großen Erzählung um den 20. Juli einen Gegenmythos aufzubauen.

Im Westen wurde der kommunistische und Arbeiterwiderstand fast völlig marginalisiert, im Osten hingegen die Verschwörer des 20. Juli lange Zeit als reaktionäre Clique angeprangert. Man lese hierzu nur die frühe Bemerkung Brechts in seinem „Arbeitsjournal“ im Exil, wo er Hitler zur Liquidierung der Verschwörer des 20. Juli höhnisch beglückwünscht. Erst in der Spätzeit der DDR wandelte sich dieses Bild. Wie auch in der Bundesrepublik infolge der Studentenbewegung und später durch die Wehrmacht-Ausstellung ein kritischeres Bewusstsein entstand, das auch – wenngleich mit unterschiedlichem Erfolg – am Rommel-Mythos kratzte.

Dennoch bleibt die Suche nach dem guten Deutschen, am besten dem guten Nazi in finsteren Zeiten, eine Konstante der deutschen „Vergangenheitsbewältigung“. Zuckmayer, selbst in die Emigration gezwungen, schrieb „Des Teufels General“, ein sehr erfolgreich verfilmtes Drama, das den Fliegergeneral Ernst Udet als unpolitischen, nur der Fliegerei leidenschaftlich ergebenen Soldaten porträtiert, der in die Maschinerie der Nazis geriet.

Es folgte der ebenfalls erfolgreiche Film über den Abwehrchef Canaris, auch er zu guter Letzt eine Figur des Widerstandes. Umso besser, wenn selbst die ehemaligen Feinde filmisch am Rommel-Mythos mitstrickten, wie etwa James Mason in der Rolle des gescheiterten Feldherrn.

Die tragische Verstrickung des Helden

Freilich hat sich mit dem Ende der Ost-West-Auseinandersetzung der Zwang zur Feier der je eigenen Helden gelockert. In der Figur des Retters wird jetzt der gute Deutsche gelobt, sei es als Zivilist, wie im Fall Oskar Schindlers, sei es als Militär, wie in der Figur des Hauptmanns Wilm Hosenfeld. Umso besser, wenn die Botschaft vom deutschen Retter aus dem Ausland zu uns kommt.

Was bleibt, ist das immer gleiche Lied von der tragischen Verstrickung des Helden, das auch der jüngste Spiegel anstimmt, obgleich er auch Rommels „Nähe zum Führer“ in verdienstvoller Weise nachgeht. Es ist dieses Heraufbeschwören des tragischen Helden, der Großes leistet, der irrt und untergeht – eigentlich ein sehr deutscher Mythos seit dem Nibelungenlied. Hinter der Beschwörung des genialen unpolitischen Militärs droht die Figur des Karrieristen zu verschwinden, der sich willig dem verbrecherischen System andiente.

Waren nicht jene „unpolitischen“ Wissenschaftler, Künstler, Militärs und Ökonomen, die die Nazis oft verachteten, nicht gerade jene Kräfte, die Hitler für die Stabilisierung seiner Herrschaft dringend brauchte? Und Rommel liebte den Führer sogar dann noch, als er von der Notwendigkeit von dessen Entmachtung überzeugt worden war. Man musste nicht Mitglied der Nazi-Partei sein, um dem Führer in Liebe anzuhängen.

In der veröffentlichten Meinung ward nach wie vor daran festgehalten, dass Rommel kein Antisemit war und dass er mit dem Holocaust nichts zu tun hatte. Was nützt aber diese Abstinenz vom Rassenwahn, wenn wir bei Tom Segevs „Die siebte Million“ lesen, dass hinter dem Afrika-Korps ein Sonderkommando unter dem SS-Obersturmbannführer Walther Rauff operieren sollte, eines ausgewiesenen Mordspezialisten mit dem Auftrag, „in eigener Verantwortung gegenüber der Zivilbevölkerung Exekutivaufgaben zu treffen“.

Rommel wusste bescheid

Das Kommando kam erst nach dem Rückzug des Afrika-Korps – Folge seiner Niederlage im Oktober 1942 vor El Alamein – zum mörderischen Einsatz gegen tunesische Juden. Selbst wenn wir annehmen, dass Rommel zum Zeitpunkt der Morde nicht mehr in Afrika war, ist auszuschließen, dass ihm, dem detailbesessenen Kenner seiner Truppen, die Planungen zum Einsatz des Sonderkommandos und seiner Aufgabe unbekannt blieb.

Und wie steht es mit der strategischen Planung für das Afrika-Korps? Wenn die Deutschen Ägypten besetzt hätten, wären die Juden Palästinas ihnen nicht entkommen. So sahen es wenigstens die Juden selbst, über deren Entsetzen angesichts dieser realistischen Drohung sowohl bei Tom Segev als auch bei Yehuda Bauer nachzulesen ist. Rommel soll in Unkenntnis über diese Perspektive gewesen sein?

Nicht sehr glaubhaft, selbst wenn noch keine Detailplanung für die Besetzung Palästinas vorlag. Kann man wirksam gegen den Rommel-Mythos angehen? Ganz einfach, indem man ihn nicht weiterstrickt.

Der Film „Rommel“ läuft am Donnerstag um 20.15 Uhr in der ARD.
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