AWD-Klagen: Prozesswelle rollt an

Die ersten zehn Anleger-Klagen gegen den Finanzdienstleister AWD werden in Hannover verhandelt. Dem Unternehmen stehen mehrere hundert ins Haus.

Der Prozess startete ohne ihn: Carsten Maschmeyer, Ex-Vorstandsvorsitzender der AWD. Bild: dpa

HANNOVER taz | Eine Schlacht unter Juristen vor dem Landgericht Hannover: Ein Großaufgebot an Verteidigern hatte der umstrittene Finanzdienstleisters AWD am Mittwoch zu der mündlichen Verhandlung geschickt. Es geht um zehn Kunden, die das Unternehmen auf Schadensersatz verklagt haben, der Auftakt für hunderte weiterer in Hannover anhängiger Klagen. Fünf AWD-Anwälte saßen zwei Klägervertretern am Gerichtspult gegenüber, zahlreiche weitere auf den Zuschauerbänken.

Rund 1.200 Klagen von Geldanlegern sind bis Ende 2011 – dem Stichtag einer zehnjährigen absoluten Verjährungsfrist – beim Landgericht eingegangen. Das sind dreimal mehr als noch im Jahr zuvor. Ein nicht unerheblicher Teil richtet sich gegen die AWD, einst vom illustren hannoverschen Unternehmer und Politiker-Freund Carsten Maschmeyer gegründet. Mittlerweile ist das Unternehmen eine 100-prozentige Tochter des Schweizer Versicherungsunternehmens Swiss Life – und bemüht um einen seriösen Anstrich.

Zu hohe Provisionen soll AWD verlangt und darüber nicht ausreichend aufgeklärt haben, sagt Klägeranwalt Rolf Thiel. 16 Prozent des in Medien- und Immobilienfonds angelegten Kapitals seien in Provisionen geflossen. Ab einem Anteil von 15 Prozent aber müssen Vermittler laut Bundesgerichtshof darüber aufklären: Eine so hohe Provision lasse auf eine geringe Werthaltigkeit der Anlage schließen. Prospekte mit Angaben zu Risiken oder Provisionen wurden den Klägern zufolge zum Teil erst nach Vertragsabschluss per Post zugestellt.

1988 gründete Carsten Maschmeyer den "Allgemeinen Wirtschaftsdienst", kurz AWD, Im Jahr 2000 ging es an die Börse.

Das Geschäftsmodell: Handelsvertreter vermitteln auf Provisionsbasis Kapitalanlagen, Versicherungen, Finanzprodukte.

Auf Schadenersatz wegen fehlender Aufklärung über Provisionen und Risiken klagen Anleger bundesweit sowie in Österreich.

Teils mit Erfolg: Anfang 2012 verurteilten zwei Gerichte AWD zu Rückzahlungen. Das Unternehmen will diese Urteile anfechten.

Schilderungen, gegen die AWD-Verteidiger scharf schossen: Die Anleger machten es sich „einfach“ mit derlei Behauptungen. Der AWD habe nur „begrenzte Möglichkeiten“, sie zu widerlegen, da er dazu „auf zum Teil längst ausgeschiedene Handelsvertreter angewiesen ist“. Das Info-Material sei aber stets „rechtzeitig“ übergeben worden, erklärten die Juristen und stritten jedes Überschreiten der 15-Prozent-Grenze strikt ab.

Ob das Gericht bei der Fortsetzung Mitte Juli ein Urteil fällt oder zunächst eine Beweisaufnahme anordnet, ist laut einem Sprecher noch offen. Klägeranwalt Thiel hatte AWD-Gründer Maschmeyer als Zeugen benannt. Das Unternehmen selbst erklärte nach der Verhandlung, man gehe davon aus, dass die Klagen abgewiesen werden.

Schon im Vorfeld hatte AWD den Klägervertreter per Pressemitteilung als „geschäftstüchtigen Anwalt“ dargestellt, der mit Klagen gegen das Unternehmen vor Gerichten bundesweit vor allem eigene Interessen verfolge. Bei berechtigten Ansprüchen, wurde da beteuert, sei man um „kundenfreundliche Lösungen bestrebt“.

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