Ab nach Osteuropa: EU-Ausländer raus

Hamburgs SPD-Senat plant, Osteuropäer ohne Job und Wohnung verstärkt in ihre Heimatländer zurückzuschicken. Ins Winternotprogramm dürfen sie nicht.

Müssen künftig vielleicht draußen bleiben, sofern sie aus Osteuropa stammen: Obdachlose unter einer Hamburger Brücke. Bild: dpa

HAMBURG taz | Hamburg will Osteuropäer, die auf Jobsuche sind und keine Wohnung finden, künftig verstärkt zur Heimreise drängen. Geplant ist nach taz-Informationen dabei auch, die Notunterbringung im Winter für Wohnungslose aus EU-Ländern wie Bulgarien, Polen, Rumänien und der Slowakei stärker zu reglementieren.

Im vergangenen Winter hat die SPD-Regierung eine Million Euro in die insgesamt 362 Übernachtungsplätze gesteckt, die Obdachlose vor dem Erfrieren bewahren sollen. Vor allem das mit 230 Schlafplätzen ausgestattete Nachtquartier in einem seit über 25 Jahren leer stehenden Bürohaus am östlichen Rand der Innenstadt war zu über hundert Prozent ausgelastet.

Im Gegensatz zu den Vorjahren wurde es überwiegend von Osteuropäern aus Bulgarien, Rumänien und Polen frequentiert. Laut Sozialbehörde waren nur rund ein Viertel der Nutzer Obdachlose deutscher Herkunft. Damit soll nun Schluss sein.

in der Hansestadt leben über 1.000 Menschen auf der Straße.

Das Winternotprogramm gibt es seit 20 Jahren. Es soll Obdachlose in den kalten Monaten von November bis April vor dem Erfrieren bewahren.

Im kommenden Winter soll es nach derzeitigem Stand 80-90 Schlafplätze in Wohncontainern bei den Kirchengemeinden geben und 160 in einem leer stehenden Bürohaus im bahnhofsnahen Münzviertel.

Die Möglichkeit, weitere Notunterkünfte in der Stadt einzurichten, gibt es laut Sozialbehörde nicht.

„Ziel des kommenden Winternotprogramms ist, die Bedarfe derjenigen Obdachlosen, die ihre Lebensperspektive in Hamburg haben, zu decken“, erklärt die Sprecherin der Sozialbehörde Nicole Serocka, „und nicht eine kostengünstige Übernachtung für alle Personen gleichermaßen zur Verfügung zu stellen.“

Laut Sozialsenator Detlef Scheele richtet sich das Winternotprogramm an diejenigen, die sich dauerhaft in Hamburg aufhalten und die gerade im Winter besonders in Not geraten. Deshalb sollen sich Osteuropäer künftig zunächst an eine eigene Beratungsstelle wenden – um dort „gefiltert“ zu werden, wie eine Mitarbeiterin der Sozialbehörde auf einer Veranstaltung mit Anwohnern sagte.

Lebensperspektiven klären

Bereits im vergangenen Jahr hat der SPD-Senat die „Anlaufstelle für Osteuropäer“ parallel zum Winternotprogramm eingerichtet. Die richte sich explizit an diesen Personenkreis und solle im nächsten Winter ausgebaut werden, so Serocka. Die Aufgabe der Anlaufstelle sei es, „die Lebensperspektiven der Osteuropäer in Hamburg zu klären“. Fällt diese Prüfung negativ aus, wird diesen EU-Bürgern die Rückkehr in ihre Heimatländer mit so genannten „Rückkehrhilfen“ nahe gelegt.

Die Anlauf- und Beratungsstelle beruht auf einer Kooperation zwischen der Sozialbehörde und den Konsulaten Polens, Bulgariens, Rumäniens und der Slowakei. Bislang wurden rund 580 Wohnungslose beraten, für mehr als 250 Menschen wurde anschließend die Rückkehr in ihr jeweiliges Heimatland organisiert. Die Tickets für die Heimreise bezahlt die Hamburger Sozialbehörde.

Der Hamburger Senat wertet die Arbeit als Erfolg und will das Informationsangebot künftig auch auf die Herkunftsländer selbst ausweiten. „Es ist sinnvoll, sich bereits vor Reiseantritt in das Ausland über die Perspektiven dort zu informieren“, erklärt Sprecherin Serocka. „Ich möchte nicht, dass Menschen mit falschen Versprechungen nach Hamburg gelockt werden und hier stranden, weil sie hier keine Lebensperspektive haben“, sagt Senator Scheele. Denn ohne Ausbildung und ohne Kenntnisse der deutschen Sprache habe man auf dem Hamburger Arbeitsmarkt fast keine Chancen.

Kritik an den Plänen kommt von den Hamburger Grünen: Zwar gebe es das Phänomen, dass Arbeitskräfte aus osteuropäischen und anderen Ländern nach Hamburg kommen, so die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion Antje Möller.

Das Problem entstehe aber erst dann, wenn diese als Tagelöhner mit ausbeuterischer Bezahlung arbeiteten müssten und sich keine Unterkunft leisten könnten. Dann sei die Beratung richtig und wichtig. Die Leute aus Notunterbringungen herauszuhalten, hält Möller hingegen für falsch: „Wenn weiterhin Obdachlosigkeit droht, hilft eine Reglementierung für öffentliche Notunterkünfte nicht weiter.“

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