Abberufung der DB-Cargo-Chefin: Es wird Zeit, dass sich der Verkehrsminister einschaltet
Cargo-Chefin Sigrid Nikutta hat nicht überzeugt, also muss sie vermutlich gehen. Doch auch der Verkehrsminister Patrick Schnieder ist verantwortlich.
W ar es respektvoll, wie das mutmaßliche Ende Sigrid Nikuttas an der Spitze der DB Cargo an die Öffentlichkeit drang? Wohl kaum. Mit Evelyn Palla leitet seit Kurzem die erste Frau jemals die Deutsche Bahn AG. Jetzt muss eine andere Frau ihren hohen Posten bei der Güterverkehrstochter der DB räumen. Ist es sinnvoll, Palla dafür einen Vorwurf zu machen? Auf keinen Fall.
Wenn Evelyn Palla die Bahn samt all ihren Sparten wieder in die Spur bringen soll, darf sie auch Chef:innenstellen neu besetzen. Erst recht, wenn sie das in Abstimmung mit anderen Führungskräften tut – und wenn es gute Gründe gibt zu glauben, dass Sigrid Nikuttas Ideen die DB Cargo nicht aus der Krise hätten hieven können. Eigentlich trägt aber auch noch ein ganz anderer die Verantwortung: der Bundesverkehrsminister nämlich. Es wird Zeit, dass er sich einschaltet.
In der Krise ist die DB Cargo schon seit einer ganzen Weile. Im Gegensatz zu den privaten Wettbewerbern machte die Bahntochter seit Jahren Miese, schon bevor Nikutta ihre Stelle dort 2020 antrat. Als Chefin der Berliner Verkehrsbetriebe hatte sich Nikutta vorher noch einen guten Ruf erarbeitet. Bei der DB Cargo war sie weniger erfolgreich. Seit 2020 wuchsen die Verluste des Unternehmens insgesamt auf gut 3 Milliarden Euro. Nikutta kürzte Tausende Stellen. Auch ansonsten setzte sie aufs Kürzen und Sparen, zum Beispiel bei Werkstätten und Loks.
Dafür musste sie vor allem von der Eisenbahngewerkschaft EVG scharfe Kritik einstecken, die erst vor Kurzem lautstark Nikuttas Rauswurf forderte. Zugegeben: Dass der Bahnvorstand der Forderung jetzt nachkommt, wo die DB mit Evelyn Palla eine Chefin hat, die glaubhaft arbeitnehmernah auftritt – das hat einen Beigeschmack. Allerdings wurde die Luft nicht nur wegen der EVG dünn für Sigrid Nikutta. Auch die Beratungsfirma Oliver Wyman verlor in einem Gutachten kaum ein gutes Wort über die Cargo-Chefin und ihre Pläne für das Unternehmen. Nikutta konnte nicht überzeugen, also muss sie nun vermutlich gehen. Am 30. Oktober trifft der Aufsichtsrat eine offizielle Entscheidung. Hart, aber in Ordnung.
Die taz ist eine unabhängige, linke und meinungsstarke Tageszeitung. In unseren Kommentaren, Essays und Debattentexten streiten wir seit der Gründung der taz im Jahr 1979. Oft können und wollen wir uns nicht auf eine Meinung einigen. Deshalb finden sich hier teils komplett gegenläufige Positionen – allesamt Teil des sehr breiten, linken Meinungsspektrums.
Gleich mehrere politischen Dimensionen
Nicht in Ordnung ist, dass das Bundesverkehrsministerium unter Patrick Schnieder (CDU) dem Schienengüterverkehr bisher kaum Beachtung schenkt. Dabei hat die Krise der DB Cargo gleich mehrere politische Dimensionen. Wenn Gütertransporte von der Straße auf die Schiene verlagert werden, ist das ein riesiger Hebel im Kampf gegen die Klimakrise. Außerdem ist vor allem der sogenannte Einzelwagenverkehr schuld an der Misere bei der Bahntochter. Der ist wenig profitabel – aber politisch gewollt, weil er den deutschen Vorzeigeindustrien Chemie und Stahl nutzt.
Damit die DB Cargo wirtschaftlich wird und dem Klimaschutz helfen kann, braucht es nicht nur eine gute Nachfolge für Nikutta. Nicht nur ein neues Sanierungskonzept aus der Bahn selbst. Sondern vor allem einen politischen Fahrplan für den Schienengüterverkehr. Den muss Schnieder liefern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert