Abgeschobener Islamist Sami A.: Einreisesperre gilt wohl nicht
Der Rechtstreit um die Abschiebung des Islamisten Sami A. wird immer komplexer – hier die wichtigsten Fragen und Antworten.
Gegen den am 13. Juli nach Tunesien abgeschobenen Islamisten Sami A. gilt eine Wiedereinreisesperre. Trotzdem verlangt das Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen nach wie vor seine Rückholung. Die Abschiebung, so das Gericht, sei rechtswidrig gewesen und müsse rückgängig gemacht werden. Nun ist die Beschwerde der Stadt Bochum dagegen am Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster anhängig. Was bedeutet die Wiedereinreisesperre für das laufende Verfahren?
1. Seit wann gilt das Einreiseverbot?
Die Wiedereinreisesperre gilt ab dem Moment einer Abschiebung – im Fall von Sami A. also seit dem 13. Juli. Der Kölner Stadtanzeiger hatte am Montag berichtet, die Ausländerbehörde Bochum habe über das nordrhein-westfälische Landeskriminalamt eine sogenannte „Einreiseverweigerung“ ausschreiben lassen. Die Stadt Bochum berichtigte, es sei ein automatischer Verwaltungsakt. Die Wiedereinreisesperre gilt für alle Länder des Schengenraums.
2. Verhindert das Einreiseverbot eine Rückholung von Sami A.?
Das ist unwahrscheinlich. Die Wiedereinreisesperre gilt ja seit dem 13. Juli. Dementsprechend haben die Gerichte sie in ihren bisherigen Entscheidungen bereits berücksichtigt. Doch das VG Gelsenkirchen hatte festgehalten, Bochum könne sich nicht auf eine „tatsächliche oder rechtliche Unmöglichkeit der Rückholung“ berufen. Denn: Sofern die Abschiebung rechtswidrig war, wäre auch die aus ihr folgende Wiedereinreisesperre nichtig. Eine vorherige Beschwerde der Stadt Bochum gegen das verhängte Zwangsgeld von 10.000 Euro hatte das OVG Münster bereits im Juli zurückgewiesen.
3. Was ist nun zu erwarten?
Die Frist für die Begründung der Beschwerde endete am Montag um 23.59 Uhr. Das OVG ist in diesem Eilverfahren die letzte Beschwerdeinstanz. Sollte es sich der Einschätzung der Vorinstanz anschließen, bliebe der Stadt Bochum nur noch der Gang zum Bundesverfassungsgericht. Doch selbst wenn alle Instanzen auf einer Rückholung bestehen, dürfte die Umsetzung schwierig werden: Die tunesischen Behörden ermitteln gegen Sami A. und haben seinen Pass einbehalten.
Sofern die Abschiebung rechtswidrig war, wäre auch die aus ihr folgende Wiedereinreisesperre nichtig
4. Warum ist die Stadt Bochum zuständig?
Vor seiner Abschiebung wohnte Sami A. in Bochum. Somit gilt die Stadt als verantwortlich, obwohl sie von der anstehenden Abschiebung gar nichts wusste. Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) hatte die Verantwortung für das Vorgehen übernommen: Die Abschiebung von Sami A. habe sein Ministerium organisiert. Das VG Gelsenkirchen war nicht über den Termin in Kenntnis gesetzt worden, und der Beschluss über das Abschiebeverbot war eingegangen, als Sami A. bereits im Flieger saß.
Leser*innenkommentare
berbaron
So verkommen ist der politische Apparat vom Eindruck bereits, dass derzeit, selbst wenn von politischen Amtsträgern - das allgemein gültige - Recht und ordentliche Gerichte ignoriert werden und der in diesem Fall nicht mal zuständige „Ausweisungsminister“ Hr. Stamp die Verantwortung für die Schweinerein im Fall Sami A. übernimmt, es keine politischen Initiativen gibt, Hr. Stamp aus seinem Amt zu entfernen!?
DER bekommt zudem und wahrhaftig noch Gelegenheit uns in schwafeligen Worthülsen seinen „Amtsmißbrauch“ zu „rechtfertigen“.
Dazu lässt er die Stadt Bochum ohne Einwände seinerseits gegen - allgemein gültiges – Recht – weiter - verstoßen.
Vor 15 Jahren hätte man ihn DAFÜR um den Block gejagt!!
Und vom Problembären aus Bayern in Berlin, als dem Wächter über die Einhaltung von Recht und Gesetz hört man auch nichts, als das man glauben könnte, dass allgemein gültige Recht bekäme wieder Geltung!?
Auch in den Medien ist der Wind ziemlich lau!?
Alle Welt schreit nach Recht und Ordnung!?
Welche??
Michael Laube
"Sollte [das OVG] sich der Einschätzung der Vorinstanz anschließen, bliebe der Stadt Bochum nur noch der Gang zum Bundesverfassungsgericht."
Mich würde einmal interessieren, in was für einem Verfahren sich die Stadt Bochum zulässiger Weise an das Bundesverfassungsgericht wenden kann.
Das Bundesverfassungsgericht ist keine Superrevisionsinstanz.
Das heißt, dass grundsätzlich nur der Verstoß gegen das Grundgesetz - aber keine Verstöße gegen einfache Gesetze - durch das Bundesverfassungsgericht geprüft werden kann.
Da die Stadt Bochum als Hoheitsträger kein Grundrechtsträger ist, kann sie jedenfalls nicht die Verletzung ihrer Grundrechte in einer Verfassungsbeschwerde geltend machen.
Ich sehe auch nicht, dass sich die Stadt Bochum auf eine Verletzung des Rechts auf Selbstverwaltung nach Artikel 28 GG durch ein Gesetz berufen kann.
Ein Organstreit ist nicht möglich, da die Stadt Bochum kein Verfassungsorgan ist.
Deshalb kann sie auch keine abstrakte Normenkontrolle beantragen.
Eine konkrete Normenkontrolle kann nur durch eine Richtervorlage eingeleitet werden.
Da die Stadt Bochum weder Bund noch Land ist, kann es auch kein Bund-Länder-Streit geben.
Vielleicht sehe ich den Wald vor lauter Bäumen nicht.
Aber ich sehe keine Möglichkeit, für die Stadt Bochum sich zulässiger Weise an das Bundesverfassungsgericht zu wenden.