Abhörskandal "News of the World": Ein bisschen Sorry

Premierminister Cameron bedauert, den früheren Chefredakteur Coulson eingestellt zu haben. Der ehemalige Generalstaatsanwalt belastet indes die Polizei.

Demonstranten und Fernsehteams vor dem Parlament in London. Bild: dapd

DUBLIN taz | Sein Verhältnis zu Rupert Murdochs Medienimperium News International sei gar nicht so eng gewesen, wie es jetzt dargestellt werde. Diesen Eindruck versuchte der britische Premierminister David Cameron am Mittwoch zu erwecken. Der ehemalige Generalstaatsanwalt Lord Ken Macdonald belastete unterdessen im Untersuchungsausschuss des Innenministeriums die Polizei. Er habe "drei bis fünf Minuten" gebraucht, um festzustellen, dass die News of the World Schmiergelder an Polizisten im großen Stil bezahlt habe.

Premier Cameron hatte seine Afrikareise vorzeitig beendet und die Parlamentsferien um einen Tag verschoben, um vor dem Unterhaus in einer Sondersitzung Rede und Antwort über den Abhörskandal bei Murdochs News of the World zu stehen.

Im Mittelpunkt der Vorwürfe gegen Cameron steht Andy Coulson, der von 2003 bis 2007 Chefredakteur des Blattes war. In diesem Zeitraum haben seine Journalisten die Telefone Tausender Prominenter, Verbrechensopfer und Soldatenwitwen abgehört und Polizisten bestochen. Coulson soll davon nicht nur gewusst haben, sondern seine Leute sogar dazu angestiftet haben. 2007 trat Coulson zurück, nachdem der Königshausreporter des Blattes sowie ein Privatdetektiv wegen Bespitzelung der Königsfamilie verhaftet worden waren. Wenige Monate später stellte Cameron ihn als Pressechef ein - trotz der Warnungen des Guardian-Chefredakteurs und des ehemaligen Liberalenchefs Paddy Ashdown.

Im Januar musste Coulson zurücktreten. Rückblickend hätte er Coulson nicht eingestellt, sagte Cameron nun. Entschuldigen werde er sich aber erst, wenn sich herausstellen sollte, dass Coulson ihn belogen habe und über die illegalen Aktionen der Journalisten informiert war.

Cameron musste seine Rede mehrmals wegen lauter Zwischenrufe von den Oppositionsbänken unterbrechen. Unter tumultartigen Szenen lieferten sich Cameron und Labour-Chef Ed Miliband Rededuelle, in denen allerdings nur längst bekannte Fakten auf den Tisch kamen. So warf Miliband dem Premierminister vor, dass er die Chefin des britischen Murdoch-Imperiums, Rebekah Brooks, vorigen Herbst zu seinem 44. Geburtstag eingeladen habe. Cameron brachte zu seiner Verteidigung vor, dass er Brooks "nie im Pyjama gesehen" habe. Außerdem habe er alle Treffen mit Murdochs Mitarbeitern offengelegt, sagte er. Das waren immerhin 27 in 15 Monaten Amtszeit.

Wallis war Berater der Tories

Darüber hinaus war am Wochenende herausgekommen, dass Neil Wallis vor den Parlamentswahlen im vorigen Jahr als Berater für die Tories gearbeitet hat. Wallis war Coulsons Stellvertreter bei der News of the World und arbeitete später für Scotland Yard, was den Polizeichef Paul Stephenson am Sonntag den Job kostete. Wallis beriet die Tories, wie sie am besten bei der Boulevardpresse punkten könnten. Er habe Coulson zugearbeitet, aber weder Cameron noch sonst irgendjemand in seinem Wahlkampfteam wussten davon, sagte der Premierminister.

Angeblich wusste Cameron auch nichts von den polizeilichen Ermittlungen des Abhörskandals. Sein Bürochef Ed Llewellyn hatte die Polizeichefs vorigen September gebeten, den Premierminister nicht davon zu unterrichten. Das geht aus dem E-Mail-Verkehr hervor, den die Regierung am Dienstag veröffentlicht hat. Offenbar befürchtete Llewellyn, dass Cameron in den Skandal hineingezogen werden könnte und hielt es für klüger, ihm Details vorzuenthalten. So konnte Cameron nun behaupten, er hatte bis vor Kurzem keine Ahnung, dass Coulson darin verwickelt war.

Genützt hat es ihm wenig. Miliband bescheinigte Cameron, er verfüge über ein "katastrophales Urteilsvermögen", doch Cameron spielte den Ball zurück: Die beiden Labour-Premierminister Tony Blair und Gordon Brown hätten ein viel engeres Verhältnis zu Murdoch, sagte er. Der hatte vor dem Untersuchungsausschuss am Dienstag erklärt, dass er zu keinem Politiker engere Beziehungen als zu Brown hatte. Und Miliband sei ja Browns Berater gewesen, fügte er hinzu. Darüber hinaus habe Miliband mit Tom Baldwin einen Pressechef, der früher bei Murdochs Times gearbeitet habe.

Miliband gab zurück, dass Baldwins Chef bei der Zeitung damals Michael Glove gewesen sei, der jetzige Tory-Bildungsminister. Einig waren sich die beiden Parteichefs lediglich, dass eine breite Untersuchung der Medien und ihrer Beziehungen zur Politik vonnöten sei. "Der Skandal hat das Vertrauen in die Medien, die Polizei und die Politik erschüttert", sagte Cameron. Er sei dafür verantwortlich, die Sache aufzuklären.

"Schmiergelder im großen Stil"

Er habe "drei bis fünf Minuten" gebraucht, um festzustellen, dass die News of the World Schmiergelder an Polizisten im großen Stil bezahlt habe, sagte der frühere Generalstaatsanwalt Lord Ken Macdonald am Dienstag im Untersuchungsausschuss des Innenministeriums. Das hätte ein "Blinder merken können".

Macdonald war im Frühjahr von Anwälten des Medienunternehmers Rupert Murdoch beauftragt worden, die News of the World zu untersuchen. Bereits bei der Überprüfung der ersten E-Mails sei ihm klar geworden, dass die Staatsanwaltschaft eingeschaltet werden müsse: "Es lagen Beweise für ein schweres Verbrechen vor." Im Juni legte er das Material dem Aufsichtsrat vor. Rupert Murdoch leitete die Sitzung. "Sie waren fassungslos. Ich sagte, das Material müsse der Polizei übergeben werden. Es gab keinen Widerspruch."

Während des Prozesses gegen den Privatdetektiv Glenn Mulcai und gegen den Königshausreporter der News of the World, Clive Goodman, war Macdonald Generalstaatsanwalt. Beide wurden 2007 zu mehrmonatigen Haftstrafen verurteilt. Normalerweise wird die Generalstaatsanwaltschaft bei solch geringfügigen Straftaten nicht informiert, doch in diesem Fall ging es um das Anzapfen von Telefonen des königlichen Haushalts.

Die Mitglieder des Unterhausausschusses warfen Macdonald vor, dass die Generalstaatsanwaltschaft den Begriff Abhören zu eng definiere. Zwar gebe es ein Gesetz aus dem Jahr 2000, wonach das Abhören von Telefonen in jedem Fall strafbar sei, doch laut Generalstaatsanwaltschaft sei es nicht illegal, eine Mailbox anzuzapfen, sofern der Eigentümer seine Nachrichten bereits abgehört habe. Diese Interpretation habe die Ermittlungen der Polizei behindert, sagte Ausschussmitglied Mark Reckless von den Tories.

Zudem habe Murdochs Unternehmen News International alles unternommen, um die polizeiliche Untersuchung in den Jahren 2005 und 2006 zu hintertreiben, stellte der Ausschuss in seinem am Mittwoch veröffentlichten Bericht fest - rechtzeitig für die Unterhausdebatte, die Premierminister David Cameron anberaumt hatte. Sein inzwischen zurückgetretener Kommunikationschef Andy Coulson war zum fraglichen Zeitraum Chefredakteur der News of the World.

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