Abschluss des Nato-Gipfels in Madrid: Neue Flanken im Visier

Die Nato-Staaten senden am letzten Tag ihres Gipfels in Madrid mehrere Botschaften aus. Die Eindämmung des russischen Einflusses ist nur eine davon.

Bundeskanzler Olaf Scholz beim Nato-Gipfel in Madrid Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

MADRID taz | Am zweiten und letzten Tag des Nato-Gipfels in Madrid beschäftigten sich die 30 Staats- und Regierungschefs mit der Südflanke, dem Mittleren Osten und Nordafrika. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sprach von „hybriden Bedrohungen“, von Terrorismus, drohender Hungersnot und irregulärer Immigration.

Stoltenberg geht es vor allem um die Präsenz von islamistischen Milizen in der Sahelzone und um den durch den Ukrainekrieg verursachten Anstieg der Lebensmittelpreise. Das gefährde die Stabilität einzelner Länder. „Der Preisanstieg bei Nahrungsmitteln betrifft die ärmsten Völker der Welt“, warnte Stoltenberg in seiner Abschlusspressekonferenz. Die Nato werde deshalb versuchen, „mehr Getreide aus der Ukraine herauszubekommen“.

Stoltenberg warnte davor, dass Russland und China versuchen würden, „ihren politischen, wirtschaftlichen und militärischen Einfluss in der Region“ auszubauen.

Die Nato setzt dem neue Kooperationsabkommen entgegen. Stoltenberg hatte bereits am Mittwoch verkündet, dass die Allianz Mauretanien beim Aufbau der Verteidigungsfähigkeiten, dem Grenzschutz und der Bekämpfung der irregulärer Migration und des Terrorismus helfen werde. Auch mit Tunesien und Jordanien will die Nato enger zusammenarbeiten.

Das Abkommen mit Mauretanien kommt nicht von ungefähr. Denn das Nachbarland Mauretaniens, Mali, ist eines der Beispiele der Präsenz von Russland in Afrika. Die dort regierende Militärjunta stützt sich auf das private russische Militärunternehmen Gruppe Wagner. Die Söldner sorgen für Sicherheit gegenüber den islamistischen Milizen, die in der Sahelzone operieren, unter ihnen Al-Qaida-Gruppen und IS-Ableger. Außerdem helfen sie bei der Unterdrückung jedweder Opposition. Die Gruppe Wagner, die von einem engen vertrauten Putins geleitet wird, stößt in ein Vakuum, das Frankreich hinterließ, als Paris nach fast zehn Jahren Militäreinsatz beschloss, seine 2.400 Soldaten abzuziehen.

Berlin: Mehr Geld für Verteidigung

Der Blick der Nato gen Süden geht auf politischen Druck des Gastgeberlandes Spanien zurück. Ministerpräsident Pedro Sánchez verlangte immer wieder eine „360-Grad-Strategie“ und wurde dabei von Italien unterstützt.

Größter Erfolg für Spanien: Die Nato garantiert erstmals „die territoriale Integrität aller Alliierten“ und nicht die „Integrität des alliierten Territoriums“. Der Unterschied? Als Spanien 1882 der Nato beitrat, wurden die beiden Exklaven an der nordafrikanischen Küste, Ceuta und Melilla, nicht zum Nato-Gebiet. Die neue Definition umfasst, so sehen es die Spanier, jetzt jedoch das gesamte Staatsgebiet.

„Die Nato zieht die richtigen Schlüsse aus der veränderten Weltlage“, erklärte Bundeskanzler Olaf Scholz zum Abschluss des Madrider Gipfels. Deutschland sei dabei „eine logistische Drehscheibe in Europa“. Künftig werde Berlin für Verteidigung mehr ausgeben als jedes andere EU-Mitglied, beteuerte er.

Verteidigungsministerin Chris­tine Lambrecht legte bereits am Mittwoch Zahlen vor, die Scholz am Donnerstag bestätigte. Deutschland werde sich am Ausbau der schnellen Einsatztruppen von bisher 40.000 auf über 300.000 Soldatinnen mit einer Division von 15.000 SoldatInnen beteiligen. Hinzu kommen 65 Flugzeuge und 20 Kriegsschiffe. 3.000 bis 5.000 SoldatInnen sollen im Baltikum stationiert werden. Bisher sind es rund 1.000. Während Nato-Generalsekretär Stoltenberg immer wieder von 2023 redet, wenn es um die Einsatzbereitschaft der neuen schnellen Eingreiftruppen geht, sind Lambrecht und Scholz etwas vorsichtiger. Sie sehen eher 2024 oder gar 2025 als realistisch an.

Was die neue Nato-Strategie für die Bundeswehr als solche bedeutet, machte Scholz bei einem Gespräch mit der deutschen Presse am Mittwochabend klar. Er wolle zurück zu einer Strategie, „in der wir unser Gebiet gegen große Panzer- und Luftangriffe verteidigen können“. Etwas, wozu die Bundeswehr nach Jahren der Fokussierung auf internationale Einsätze nicht in der Lage sei.

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