Absturzort von Flug MH17 in der Ukraine: Kämpfe verhindern weiter Zugang

Zu gefährlich: Die Ermittler müssen den Wrackteilen weiter fernbleiben. Die Ukraine will russische Kultur zensieren. Und die EU berät über Wirtschaftssanktionen.

Durch Kampfhandlungen zerstört: Eisenbahnbrücke zwischen Charkow und Donezk. Bild: dpa

KEIW/MOSKAU/BRÜSSEL/WASHINGTON afp/dpa/rtr | Die Ermittler aus den Niederlanden und Australien sind den dritten Tag in Folge mit dem Versuch gescheitert, zur Absturzstelle des malaysischen Passagierflugzeugs im Osten der Ukraine vorzudringen. Die Gruppe sei in der Stadt Donezk geblieben, weil am Absturzort und auf dem Weg dorthin „zu viel“ gekämpft werde, teilte das niederländische Justizministerium am Dienstag mit. Die ukrainische Armee versucht derzeit, prorussische Separatisten aus dem Gebiet zu vertreiben.

Die australischen und niederländischen Experten sowie Vertreter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sollen die Absturzursache aufklären und dutzende, noch immer vermisste Todesopfer finden helfen. Bislang hinderten die anhaltenden Gefechte die Ermittler an ihrer Arbeit. Eine im Gebiet um die Absturzstelle ausgerufene Feuerpause ist seit dem Absturz von Flug MH17 am 17. Juli nie Realität geworden.

An Bord des Flugzeugs der Gesellschaft Malaysia Airlines waren 298 Menschen, davon 221 aus den Niederlanden und Australien. Es wird davon ausgegangen, dass die Boeing 777 auf ihrem Weg von Amsterdam nach Kuala Lumpur nahe Donezk abgeschossen wurde. Die Ukraine und die von Russland unterstützten Rebellen machen sich gegenseitig für den mutmaßlichen Abschuss verantwortlich.

Eine Quote für den Buchmarkt

Derweil hat Kiew angekündigt, angesichts seines Konflikts mit Russland Bücher und Filme aus dem Nachbarland stärker zu kontrollieren. Für Filme aus Russland sei künftig eine Freigabe vorgesehen, „ob sie der nationalen Gesetzgebung entsprechen“, teilte die staatliche Kinoagentur in Kiew mit. Auf dem Buchmarkt wolle die Ukraine eine Quote, um einheimische Bücher gegen das Übergewicht ausländischer, vor allem russischer Literatur zu schützen, sagte Vizeregierungschef Alexander Sytsch von der nationalistischen Partei Swoboda.

„Ich bin weit davon entfernt, zu behaupten, dass alle russischen Bücher schlecht sind“, erklärte Sytsch bei einer Regierungskonferenz. „Gleichzeitig sind wir einfach gezwungen, den ukrainischen Verbraucher vor fremdenfeindlichen Verlagsprodukten zu schützen, die auf eine Destabilisierung der Situation im Land abzielen.“ Russland werfe in der Ukraine oft „drittklassige“ Produktion auf den Markt.

Die Ukraine bemüht sich seit der Unabhängigkeit, die eigene Sprache und Kultur zu fördern, hat dabei aber bislang keinen großen Druck ausgeübt. Weil die meisten Ukrainer Ukrainisch und Russisch sprechen, setzt sich im Alltag oft die russische Kultur durch. Russland produziert in großer Auflage Bücher für den gesamten postsowjetischen Raum. Bei ukrainischen Büchern ist die Auflage klein und teuer. Auch Filme und Fernsehshows auf Russisch haben eine größere Reichweite.

Die ukrainischen Filmexperten nahmen Anstoß an der russischen TV-Serie „Die weiße Garde“ nach dem Roman von Michail Bulgakow, verfilmt 2012 von Sergej Sneschkin. Die Handlung spielt in Kiew in der Revolutionszeit nach dem Ersten Weltkrieg. Auch ein russischer Film von Gleb Orlow über den ukrainischen Meisterringer Iwan Poddubny erregte Ärger.

Diese Filme „demonstrieren Herablassung gegenüber der Sprache, dem Volk und der Staatlichkeit der Ukraine“, erklärte die Kinoagentur. Einzelne Fakten der Historiendramen seien verfälscht oder zugunsten Russlands umgeschrieben worden. Beide Produktionen erhielten keine Lizenz für den Verleih in der Ukraine.

Auf dem Buchmarkt der Ukraine stamme nur ein Fünftel der Bücher aus heimischer Produktion, sagte Sytsch. „Wir führen eine Lizensierung russischer Bücher und eine Quote für ausländische Bücher ein, abhängig davon, wieviel Prozent der Marktanteil ukrainischer Bücher ausmacht.“ Wie hoch die Quote sein soll, sagte er nicht.

Russland kritisiert japanische Sanktionen

Vertreter der 28 EU-Regierungen haben am Dienstag in Brüssel Beratungen über Wirtschaftssanktionen gegen Russland begonnen. Vor allem soll der Zugang russischer Banken zum europäischen Kapitalmarkt erschwert werden. Ziel der Sanktionen ist, dass Russland die Unterstützung für die Separatisten in der Ostukraine beendet. Zu den Wirtschaftssanktionen gehört auch ein Ausfuhrstopp für Waffen, Hochtechnologieprodukte und Spezialanlagen zur Ölförderung.

Die EU-Botschafter können diese Maßnahmen aber nur beschließen, wenn auch sämtliche Staats- und Regierungschefs – wie von EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy erbeten – ihr Einverständnis gegeben haben. Schon an Montagabend hatten sie sich auf Einreiseverbote und Kontensperrungen gegen Personen beschlossen, die zum engeren Umfeld des russischen Präsidenten Wladimir Putin gehören sollen.

Derweil hat Russland die verschärften japanischen Sanktionen wegen der Ukraine-Krise kritisiert. Das Verhalten Japans sei unfreundlich und kurzsichtig, es beruhe auf einer fehlerhaften Sicht der Vorgänge in der Ukraine, erklärte das russische Außenministerium in Moskau am Dienstag. Die Regierung in Tokio hatte tags zuvor angekündigt, die Vermögen von Einzelpersonen oder Gruppen einzufrieren, die an der Annexion der Krim oder dem Konflikt in der Ostukraine beteiligt seien. Moskau erklärte dazu, Japan habe trotz aller Freundschaftsbekundungen keine eigenständige Politik, sondern folge bei den Sanktionen im Kielwasser der USA.

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