Abtreibungen in Irland: Ein längst fälliges Frauenrecht

Seit mehr als dreißig Jahren kämpfen AktivistInnen gegen das Abtreibungsverbot. Nun will der Premier ein Referendum darüber abhalten.

Eine Frau hält ein Schild in die Höhe, auf dem „Shame“ (Schande) steht, im Hintergrund ein Fahrradfahrer

Mary Phelan protestiert gegen das Abtreibungsgesetz, das zu Savita Halappanavars Tod führte (Archivbild 2012) Foto: reuters

DUBLIN taz | Irlands Regierungen kommen und gehen, aber das Thema Abtreibung bleibt. Es steht seit mehr als 30 Jahren auf der Tagesordnung – mal weiter unten, zurzeit aber wieder ganz oben. Der neue Premierminister Leo Varadkar will im nächsten Jahr ein Referendum über die Abschaffung des Abtreibungsverbots in der Verfassung anberaumen.

Die Liste der Tragödien, die sich aufgrund dieses Verbots abgespielt haben, ist lang. Der bisher letzte Fall betraf eine schwangere 14-Jährige, die mit ihrer Mutter nach Dublin gefahren war, um die Schwangerschaft abbrechen zu lassen. Das Mädchen war suizidgefährdet. Der Psychologe entschied jedoch, dass eine Abtreibung „keine Lösung für all ihre Probleme“ sei, und ließ das Mädchen zwangseinweisen.

Ihr wurde ein Vormund zugeteilt, der ein zweites Gutachten einholte. Darin wurde festgestellt, dass das Mädchen keineswegs psychisch krank sei, worauf sie freigelassen werden musste. Was danach mit ihr geschah, ist nicht bekannt. Vielleicht ist sie nach England zur Abtreibung gefahren, so wie es mehr als 150.000 irische Frauen in den vergangenen 40 Jahren getan haben.

Vor knapp zwei Wochen urteilte der Ausschuss für Menschenrechte der Vereinten Nationen, dass Irland erneut die Menschenrechte einer Frau verletzt habe. Diesmal ging es um Siobhán Whelan, der eine Abtreibung verweigert worden war, obwohl bei dem Fötus eine tödliche Anomalie diagnostiziert worden war. Die UN bezeichneten Irlands Umgang mit Frauen als „gemein, inhuman, entwürdigend“ und forderten die Regierung auf, Whelan Schadensersatz zu zahlen.

Eine fötale Anomalie ist im irischen Abtreibungsgesetz nicht vorgesehen. Als im November 2013 die indische Zahnärztin Savita Halappanavar in der Universitätsklinik der westirischen Stadt Galway an einer Blutvergiftung starb, weil sich die Ärzte mit Hinweis auf das Abtreibungsverbot geweigert hatten, den nicht lebensfähigen Fötus aus ihrer Gebärmutter zu entfernen, verabschiedete die Regierung ein Gesetz, das zwar eine Abtreibung bei Lebensgefahr für die Schwangere erlaubt, aber nicht bei Gefährdung ihrer Gesundheit, bei Vergewaltigung oder bei Missbildung des Fötus.

Eine deutliche Mehrheit spricht sich bei Umfragen seit Jahren dafür aus, das Gesetz zu liberalisieren.

Eine deutliche Mehrheit spricht sich bei Umfragen seit Jahren dafür aus, das Gesetz zu liberalisieren. Die Bürgerversammlung hatte im April empfohlen, Abtreibung selbst aus ökonomischen Gründen zu gestatten. Diese Versammlung besteht aus 100 Personen, die einen Querschnitt der irischen Gesellschaft repräsentieren. Das Parlament wendet sich mit bestimmten Themen an die Versammlung, deren Entscheidung ist aber nicht bindend.

Varadkar hat nun einen Parlamentsausschuss unter Vorsitz der Senatorin Catherine Noone einberufen. Der Ausschuss soll seine Empfehlungen bis Weihnachten vorlegen, im nächsten Jahr dürfen die Irinnen und Iren per Referendum über die Streichung des Verfassungsparagrafen abstimmen. Damit ist es freilich nicht getan. In einem parallelen Prozess befasst sich ein anderer Ausschuss mit der Liberalisierung des Gesetzes.

Die Journalistin Una Mullaly kritisiert, dass Psychologen, Politiker und selbst die katholische Kirche in ihrer letzter Schlacht bei „dieser Angelegenheit“ mitmischen. „Unser Körper gehört nicht uns selbst“, sagte Mullaly. „Macht diesem irischen Schreckensszenario endlich ein Ende.“

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