Adaption eines Anti-Entwicklungsromans: Vom plötzlich prallen Leben

In Bremen bringt Pedro Martins Beja Joachim Lottmanns Roman „Endlich Kokain“ auf die Bühne - mit Musik vom Hamburger Duo „Zucker“.

Matthieu Svetchine als Stephan Braum im Theater Bremen bei einer Probe zur Uraufführung von "Endlich Kokain". Bild: dpa

HAMBURG taz | Das wilde, hemmungslose Leben war Stephan Braums Ding nun wirklich nicht. Der früh pensionierte Fernsehredakteur war zeitlebens ein Spießer, wie er im Buche steht. Aber dann die bedrohliche Diagnose: Wegen seines Übergewichts, warnt sein Arzt, habe der Wollpulliträger noch maximal drei Jahre zu leben – wenn er sich weiterhin so wenig bewege und dann der Bluthochdruck. Verzweifelt greift Stephan Braum zur harten Droge, um seine Fettsucht zu bekämpfen: Er beginnt eine „Kokain-Diät“.

Präzise protokolliert er zunächst noch deren Verlauf, notiert Dosis und Wirkung. Und tatsächlich: Er wird dünner, offener, rauschhafter, wilder! Radelt mit dem E-Bike durch die Stadt, beginnt zu lügen und zu betrügen und hat plötzlich Sex im Übermaß. Schnell wird aus dem Mittfünfziger der It-Man der Wiener und Berliner Boheme. Vor dem Drogentod aber rettet ihn nur ein Zufall.

„Endlich Kokain“, so hieß im vergangenen Jahr Joachim Lottmanns furios-bissiges Porträt eines Kunstbetriebs, in dem die Sehnsucht nach dem Leben zum unerbittlichen und selbstzerstörerischen Egotrip wird. In Bremen bringt jetzt Pedro Martins Beja den Anti-Entwicklungsroman, der ausdrücklich keine Satire sein will, auf die Theaterbühne. Er lässt drei Frauen – Gabriele Möller-Lukasz, Karin Enzler und Betty Freudenberg – mit dem einsamen Mann (Matthieu Svetchine) und seiner Sehnsucht nach dem ungelebten Leben experimentieren. Das Publikum wiederum sitzt, von den Sex- und Drogeneskapaden sauber getrennt, hinter einer Spiegelwand.

Moralisieren allerdings möchten Beja und sein junges Team – die Musik zur Inszenierung liefert das Hamburger Noise-Pop-Duo Zucker – ausdrücklich nicht. Und es geht ja auch gar nicht allein um Eskapaden, sondern um eine Einsicht, die so abseitig nicht ist: Das eigene Leben ist nicht gelebt worden, und nur wenig Zeit bleibt, das nachzuholen.

■ Premiere: Sa, 25. April, 20 Uhr, Theater Bremen (Restkarten an der Abendkasse). Weitere Aufführungen: Do, 30. April, 11. + 28. Mai.
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