Ägypten sortiert sich neu: Mursi fordert Militärrat heraus

Das Oberste Verfassungsgericht prüft die Wiedereinberufung des Parlaments. Präsident Mursi hatte mit dem erneuten Zusammenruf einen ersten Schritt gegen die Generäle unternommen.

Hunderte Anhänger feierten in der Nacht zum Montag auf dem Kairoer Tahrir-Platz Mursis Entscheidung. Bild: reuters

KAIRO dapd | Ägyptens Oberstes Verfassungsgericht will am Montag die Wiedereinberufung des vor einem Monat vom Militärrat aufgelösten Parlaments prüfen. Präsident Mohammed Mursi hatte am Sonntag das von Islamisten dominierte Parlament erneut zusammengerufen und damit den ersten Schlag im Machtkampf mit den Generälen gewagt.

Der Militärrat reagierte umgehend auf den überraschenden Schritt und kam noch am Abend zu einer Sondersitzung zusammen. Hunderte Anhänger feierten in der Nacht zum Montag auf dem Kairoer Tahrir-Platz Mursis Entscheidung.

Mursi ordnete in seinem Erlass laut einem Bericht der amtlichen Nachrichtenagentur MENA zudem die Wahl eines neuen Parlaments binnen 60 Tagen nach der Annahme einer neuen Verfassung an. Die Ausarbeitung und Verabschiedung der neuen Verfassung wird nicht vor Jahresende erwartet.

Die Generäle wollten laut MENA die „Konsequenzen" von Mursis Entscheidung „erörtern". Wie der britische Sender BBC auf seiner Internetseite berichtete, traf der Militärrat noch keine Entscheidung. Das Oberste Verfassungsgericht hatte ebenfalls angekündigt, über Mursis Entscheidung zu beraten.

Neue Gewalt droht

„Dies ist der Beginn eines Kampfes der sich seit einiger Zeit anbahnte", sagte Negad Borai, ein bekannter Bürgerrechtler. Diesmal könnten die Generäle den Kürzeren ziehen, da sie es mit einem gewählten Präsidenten zu tun hätten, erklärte er.

Mit seiner Entscheidung, das Parlament wieder einzuberufen, könnte Mursi eine neue Welle der Instabilität in Ägypten auslösen. Während Mitglieder der islamistischen Muslimbruderschaft, der Mursi selbst angehört, den Schritt begrüßten, übte der ägyptische Friedensnobelpreisträger Mohammed El Baradei im Kurznachrichtendienst Twitter Kritik. Der Erlass des Präsidenten führe das Land „in ein verfassungsmäßiges Koma und einen Konflikt" zwischen den wichtigsten staatlichen Institutionen, schrieb er.

Obama lädt Mursi zu Gesprächen in die USA ein

Wenige Stunden vor der Bekanntgabe von Mursis Entscheidung hatte US-Vizeaußenminister William Burns Mursi bei einem Treffen eine Nachricht von US-Präsident Barack Obama übergeben. Darin bekräftigte Obama die „neue Partnerschaft" mit Ägypten und lud Mursi zu Gesprächen im Weißen Haus im September ein.

Der Militärrat hatte die Auflösung des von Islamisten dominierten Parlaments vergangenen Monat angeordnet und sich dabei auf eine Entscheidung des Obersten Verfassungsgerichts berufen. Der Militärrat übertrug Mursi nach dessen Sieg bei der Stichwahl um das Präsidentenamt am 30. Juni offiziell die Macht, sicherte sich aber zuvor selbst entscheidende Machtbefugnisse.

Westerwelle kommt

Außenminister Guido Westerwelle reist am Montag zu einem Kurzbesuch nach Kairo. Am Abend trifft er dort mit seinem Amtskollegen Mohammed Amr zusammen. Für Dienstag ist ein Gespräch mit Präsident Mursi geplant. Nach Angaben des Auswärtigen Amts ist Westerwelle der erste westliche Außenminister, der Ägypten seit der Präsidentenwahl besucht.

Der FDP-Politiker will in Kairo den demokratischen Wandel in Ägypten unterstützen und auf eine Machtabgabe des Obersten Militärrats dringen, der trotz Parlaments- und Präsidentschaftswahlen weiterhin die Geschicke des Landes lenkt.

Neben der ägyptischen Innenpolitik wird auch der Syrien-Konflikt eine größere Rolle beim inzwischen fünften Besuch Westerwelles in dem bevölkerungsreichsten Land Nordafrikas spielen. Am Dienstag will er mit dem Generalsekretär der Arabischen Liga, Nabil al-Arabi, über das weitere Vorgehen in der Syrien-Krise beraten.

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