Ältere Menschen in Krankenhäusern: Keine optimale Versorgung

Hochbetagte Menschen werden länger versorgt als nötig, kritisiert die Barmer. Denn der Gewinn der Klinik hänge von der Behandlungsdauer ab.

Eine Seniorin hält sich in ihrem Bett an einem Haltegriff fest, im Hintergrund ein Pfleger

Ältere Patienten werden in Deutschland nicht optimal versorgt Foto: dpa

BERLIN taz | Über 70-Jährige liegen immer häufiger im Krankenhaus. Meistens werden sie länger als nötig versorgt, damit die Kliniken den höchstmöglichen Erlös erhalten. Das ergab der Barmer-Krankenhausreport 2017, der am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde.

Die Zahl der offiziell mehrfach erkrankten älteren Patienten stieg demnach zwischen 2006 und 2015 von 1,1 auf zwei Millionen. Der Grund sei die Vergütung der geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung (GFKB), welche diese betroffenen Patienten erhalten. Sie ist an die Dauer des Krankenhausaufenthaltes gekoppelt. Im Gegensatz zur Reha erfolgt die GFKB im Krankenhaus und dient zur Behandlung einer akuten Erkrankung, sie kann auch auf eine Reha vorbereiten. Ziel: Wie bei der Reha soll der Patient gesund werden und selbstständig leben können. GFKB-Patienten laut des Berichts sind durchschnittlich 84 Jahre alt und zu 70 Prozent weiblich. Eine häufige Diagnose ist der Oberschenkelhalsbruch.

Die Kliniken können eine höhere Pauschale abrechnen, wenn ein Patient mindestens 14 Tage stationär an der GFKB teilnimmt. Nach Angaben der Barmer wurden 2006 58 Prozent der betroffenen Patienten nach zwei Wochen entlassen, 2015 waren es 75 Prozent. „Die Vergütungsform bestimmt so den Entlassungszeitpunkt“, sagt Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender von Barmer. Die Anzahl der GFKB-Patienten sei von 2006 bis 2015 um 180 Prozent angestiegen. Die Barmer fordert flexiblere Vergütungsmodelle, damit die Behandlungsdauer auf die Patienten abgestimmt werden kann.

Bei der geriatrischen Behandlung zeigen sich deutliche regionale Unterschiede: In Bayern gibt es 4,3 Prozent GFKB-Patienten, in Hamburg sind es 24,3 Prozent. Das ist von großer Bedeutung, da das Behandlungsergebnis von der Versorgungsform abhängen kann, so Straub. Die GFKB ist demnach weniger erfolgreich als die Reha: Die Wahrscheinlichkeit, pflegebedürftig zu werden, liegt laut Barmer bei GFKB-Patienten bei 47 Prozent, bei Reha-Patienten sind es 40 Prozent. Eine GFKB kostet innerhalb von zwei Wochen 950 Euro mehr als eine Reha. „Die Versorgung muss vom Bedarf des Patienten abhängen“, fordert Straub.

Die Barmer empfiehlt, Geriatrie in großen Kliniken anzulegen. Bei Krankenhäusern mit mindestens fünf Abteilungen sei das Risiko, später in einem Altenheim zu landen, um sechs Prozent niedriger als bei einem kleinen Krankenhaus. Die Geriatrie wird in Zukunft an Bedeutung gewinnen: Bis 2050 soll laut des Berichts die Anzahl der über 70-Jährigen in Deutschland um 46 Prozent steigen.

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