Älteste Kandidatin der Bundestagswahl: Bis zum letzten Atemzug

Barbara Rütting trat bei den Grünen aus, als Renate Künast einen Fisch erschlug. Mit 89 Jahren kandidiert sie nun für die V³-Partei.

Eine Frau im Profil

Schauspielerin, Landtagsabgeordnete, enttäuschte Grüne: Barbara Rütting, 89, hat viel erlebt Foto: dpa

Sie war mit dem Urenkel von Otto von Bismarck verheiratet, seinerzeit SPD-Mitglied und später im Bundestag für die PDS. Da gingen die beiden aber schon lange getrennte Wege. Sie stand mit Klaus Kinski vor der Kamera, zwischen 1952 und 1983 hat sie in 45 Filmen mitgespielt.

Sie führte ein bewegtes Leben, und was für eins! Jung führte sie eine Scheinehe, um ihren Vater vom Nationalsozialismus abzukehren, nachdem sie, regimetreu aufgewachsen, eine neue Weltsicht von ihrem ersten Mann Hans Rütting eingeimpft bekam, einem unter dem nationalsozialistischen Regime im Berliner Gefängnis Plötzensee zum Tode verurteilten Antifaschisten, der fliehen konnte und von der Familie Goltz bis zum Einmarsch der Russen versteckt wurde.

Wer in Geschichte aufgepasst hat, wird schon gemerkt haben: Hier geht es nicht um eine Nachwuchspolitikerin. Barbara Rütting, als Waltraut Goltz am 21. November 1927 in Berlin geboren, ist die älteste Bundestagskandidatin bei dieser Wahl.

„Ich bin verantwortlich als Mensch“, sagt sie. Sie führte ein bewegtes Leben, und was für eines! Ihre Autobiographie heißt passend: „Durchs Leben getobt“. Etwa 20 Bücher hat sie geschrieben, Ratgeber, Kochbücher, ein Roman ist auch dabei.

Enttäuschte Ex-Grüne

Auf ihrer Agenda steht die Legalisierung des Sterbefastens, das sie nicht mit Suizidbegleitung gleichgestellt sehen will. Und nun steht sie auf Platz 2 der bayerischen Landesliste für die V-Partei³, Partei für Veränderung, Vegetarier und Veganer. Hier tummeln sich viele enttäuschte Ex-Grüne, denen Werte wie Tierschutz und Umwelt im Bündnis nicht mehr klar genug vertreten wurden.

So auch Barbara Rütting. Die 89-Jährige saß für die Grünen im Bayerischen Landtag, 2003 bis 2009 war das, dann legte sie ihr Mandat nieder. Zweimal trat sie aus der Partei aus, zum ersten als der Realoflügel dem Kosovokrieg zustimmte, zum zweiten als Renate Künast in einer Talkshow einen Fisch erschlug.

Zu viel des Guten – oder eher Schlechten – für Rütting. Also trat sie Ende 2017 in die V³-Partei ein, die ein erstaunlich umfangreiches und seriöses Programm hat, keineswegs monothematisch unterwegs ist und auch Fleischessern eine politische Heimat bietet.

Einfach das Richtige tun

Sie fordern eine konsequentere Verfolgung von Steuerbetrügern, neue Schulfächer wie Ernährung, rascheren Atomausstieg und Bio für alle. „Hier brennt jeder“, sagt Rütting. Tatsächlich liest sich das wie die Programmatik konsequenterer Grüner, bei der ersten Wahl, der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen reichte es aber nur zu 0,1 Prozent der Stimmen.

Viel ist das nicht, zum Mitmischen reicht es nicht mal im Ansatz und, sagt sie, „die Zeit ist zu knapp, die vielen Vegetarier und Veganer im Land zu erreichen.“ Sie ist nicht nur knapp, sie ist auch schwer für Kleinparteien, auch für jene, die sich vergleichsweise breit aufstellen. Die politische Lage verbietet eigentlich deren Wahl.

Aber Zeiten ändern sich, das weiß auch Rütting: „Mir geht es nicht um den großen Erfolg – sondern einfach darum, das Richtige zu tun. Ich habe mir geschworen, den Mund aufzumachen, solange ich nach Luft schnappen kann.“

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