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Änderung der StaatsbürgerschaftAbschottung vervollständigt

Dinah Riese

Kommentar von

Dinah Riese

Die Bundesregierung hat das Staatsbürgerschaftsrecht geändert. Jetzt müssen Menschen mit Migrationshintergrund länger auf ihren deutschen Pass warten.

Eine deutschen Pass zu bekommen, wird für einige Menschen schwieriger Foto: Enters/imago

V on „Verramschung“ der Staatsangehörigkeit war die Rede. Von „Turbo-Einbürgerung“. Nun hat der Bundestag einen Teil der erst im vergangenen Jahr in Kraft getretenen Reform wieder zurückgenommen: Es soll nun doch nicht mehr möglich sein, sich in Fällen besonders gelungener Integration schon nach drei statt nach fünf Jahren einbürgern zu lassen. Das allein ist kein Drama. Die Botschaft aber, die mitschwingt, schon: Die Bundesregierung vertraut Menschen, die nicht als Deutsche geboren sind, nicht wirklich.

Die Neuregelung ist ohnehin nur ein Kompromiss, die Union wollte im Grunde die gesamte Reform des Staatsangehörigkeitsrechts rückgängig machen, samt Möglichkeit des Doppelpasses. Da sei der Verzicht auf die schnelle Einbürgerung „für uns akzeptabel“, sagte SPD-Fraktionsvize Sonja Eichwede. „Zumal die Möglichkeit bislang kaum genutzt wurde.“

Das mag stimmen – aber verkennt, dass die Regierungskoalition damit eben ein Signal sendet. Dafür muss man den Blick nur etwas weiten: Just einen Tag nach der Abstimmung über das Staatsangehörigkeitsrecht diskutiert der Bundestag über die Umsetzung der Geas-Reform. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem soll noch mehr und noch brutaler Geflüchtete fernhalten.

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Die Bundesregierung will künftig zudem per Verordnung – also ohne störende Blockaden in Bundestag oder Bundesrat – bestimmen können, welche Herkunftsländer „sicher“ sind. Die Zeichen stehen auf Abschottung, längst nicht nur gegenüber Menschen, die hierher flüchten. Die migrationsfeindliche Stimmung im Land trifft auch jene, die etwa zum Arbeiten nach Deutschland gekommen sind, und sogar jene, die hier geboren wurden.

„Wir geben dem deutschen Pass heute den Wert zurück, den er verdient“, jubelt die Union. Als ob die Hürden für die schnelle Einbürgerung nicht immer noch sehr hoch gewesen wären. Einige Menschen werden nun ohne vernünftigen Grund wieder länger auf ihren deutschen Pass warten müssen. Aber betroffen sind von dieser Entscheidung noch viele mehr.

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Dinah Riese
Ressortleiterin Inland
leitet das Inlandsressort der taz. Davor war sie dort seit Oktober 2018 Redakteurin für Migration und Integration und davor von 2016-17 Volontärin der taz Panter Stiftung. Für ihre Recherche und Berichterstattung zum sogenannten Werbeverbot für Abtreibungen, Paragraf 219a StGB, wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Im März 2022 erschien von Gesine Agena, Patricia Hecht und ihr das Buch "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.
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8 Kommentare

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  • Eine faktenbasierte tiefgründige und weitsichtige Analyse, unter welchen Voraussetzungen die Vergabe der deutschen Staatsbürgerschaft aus welchen Gründen sinnvoll ist und aus welchen nicht, würde bemerkenswerte Erkenntnisse liefern. Sie ist an dieser Stelle aber unerwünscht.

  • „Symbolpolitik statt Zukunftspolitik“



    Deutsche Politik betreibt zunehmend Symbolpolitik: Entscheidungen, die weniger Probleme lösen, als Stimmungen bedienen. Ein Beispiel ist die Abschaffung der „Turbo-Staatsbürgerschaft“. Statt Integration zu fördern und Fachkräfte zu halten, sendet man ein Signal an Konservative. Ähnlich verhält es sich mit den Dauerbrennern „Bürgergeld“, „Migration“ oder „Abschiebung“ – Themen, die Aktivität vortäuschen, aber kaum Substanz haben.



    In einer globalisierten Welt ist die Staatsbürgerschaft vor allem ein rechtliches Werkzeug – kein Traditionsabzeichen. Sie ermöglicht Teilhabe, Rechte, Beweglichkeit. Wer hier lebt, arbeitet und Verantwortung übernimmt, gehört längst dazu. Statt über Symbole zu reden, sollte Politik endlich wieder Zukunft gestalten.



    Die wirklich wichtigen Fragen – Bildung, Digitalisierung, soziale Gerechtigkeit, Wettbewerbsfähigkeit – verschwinden im Hintergrundrauschen der Empörung. Dabei wissen Politikerinnen und Politiker dank ihrer Beraterstäbe genau, was ansteht. Nur: Komplexe Lösungen bringen keine schnellen Schlagzeilen.

  • Von „Verramschung“ der Staatsangehörigkeit war die Rede?



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    Na ja, sind ja "Ausländer"! :-(



    Bei "doitschen im Sinne des GG'S", sahen unsere "Konservativen" in der Vergangenheit & auch HEUTE ganz anders!

    Da geht die Spanne von "Beutedoitschen", über "Spätaussiedler" bis hin zum "doitschen Blut" wenn ein Elternteil "Deutsch" ist.

    Btw. Das o.a. scheint aber "im Trend" zu sein. Auch "Nr.47" will vom eindeutigen Prinzip "im Land geboren = Staatsbürger" weg, zu einem undurchsichtigen "Wer darf, wer ist, usw"! :-(

    Kopfschüttelnd Sikasuu



    (mit EU-Doppelpass, incl. dem Trouble daraus)

    ObJ: Warte noch darauf, das ein DNA Test Grundlage für die Staatsbürgerschaft aller wird! Dann werden wohl > 90% aller Mitbürger mit Mehrfachpässen beglückt werden!



    Bin mal gespannt wie hoch die Quote mit > 50 % "Germanen-Gene" sein wird! :-)

  • Abschottung? Wirklich?



    Weil man nicht nach 3 Jahren Deutscher werden kann?



    Ich persönlich finde die 5 Jahre noch zu kurz. Aber das ist nur meine persönliche Sicht.



    Wer eingebürgert werden möchte sollte sich mit dem Land auch indizieren und sollte auch die Landessprache auf einem vernünftigen Niveau sprechen können. Das ist im Turboverfahren schwer zu schaffen. Auch ist es anderen Deutschen schwer zu vermitteln warum es so einfach sein soll Staatsbürger zu werden. Mit all seinen Privilegen und Pflichten. Wobei die Privilegen eines deutschen Staatsbürgers dann doch eher überwiegen.



    Ich bin dafür das nur diejenigen Deutsche werden dürfen, die sich bemühen bei uns zu integrieren, die hiesigen Sitten und Gebräuche respektieren und besonders unsere Wertevorstellungen akzeptieren und am besten auch gut heißen. Da gehört die Gleichstellung von Mann/Frau dazu, wie auch die Freiheit des Glaubens, der sexuellen Orientierung & das Anerkennen & Verteidigen unserer Demokratischen Grundordnung. Auch ein klares Bekenntnis gegen Rassismus & Antisemitismus & anderer radikalen Ansichten. Wer diese Grundpfeiler nicht erfüllt oder erfüllen möchte, sollte nicht Deutscher werden dürfen.

  • Ich freue mich für meine Kollegin, die gestern ihren deutschen Pass bekam. :)

  • Die Anzahl derer, die die deutsche Staatsangehörigkeit auf dem Wege der „Turbo-Einbürgerung“ bekommen haben, war derart gering, dass man bei der Abschaffung dieser Möglichkeit nur von Symbolpolitik sprechen kann. Allerdings handelt sich um ein völlig falsches Symbol in Richtung aller, die die deutsche Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung bekommen haben oder erwerben möchten. Staatsangehörigkeit ist ein willkürliches Konstrukt und hat viel mit Zufall, Glück oder Pech zu tun, sagt aber nicht über das Individium aus.

  • Ich wüsste mal gerne, wie man den Wert des deutschen Passes bestimmt.

    Und was in einigen Jahren davon übrig ist. Letztlich bleibt die Union sich treu. Sie hat seit Jahrzehnten sichergestellt, das Migration zu gesellschaftlichen Problemen führt und dabei soll es wohl auch bleiben.



    So wirklich ehrlich ist das nicht.

  • 5 Jahre ist, gemessen an den meisten Staaten dieser Welt, immer noch sehr kurz und die Zugangshürden sind auch relativ niedrig. Und Arbeits-Forschungsmigranten meiden Deutschland eh, da viele wichtige Forschungsgebiete in D nicht mehr auf dem höchsten Stand sind.