Änderung des Wahlgesetzes in Berlin: Die Kleinen haben obsiegt

ÖDP, Piraten und Tierschutzpartei haben erfolgreich gegen das Abgeordnetenhaus geklagt. Die Zulassung zur Berlinwahl ist wegen Corona nun leichter.

Ein Plakat der Piratenpartei ist bekritzelt mit dem Spruch "

Die Piraten hatten nach den Berlin-Wahlen 2016 nichts zu feiern: Sie kamen nicht über 5 Prozent Foto: Paul Zinken/dpa

BERLIN taz | Berlins Kleinparteien haben vor dem Verfassungsgerichtshof einen Sieg errungen. Berlins höchstes Gericht hat in einem Urteil vom Donnerstag die Hürden für eine Zulassung zur Abgeordneten­haus­­wahl am 26. September deutlich herabgesetzt: Unter normalen Umständen brauchen alle nicht in Bezirksparlamenten oder im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien für die Zulassung zur Wahl 2.200 Unterstützungsunterschriften. Aufgrund von Lockdown und Pandemie sei diese Zahl allerdings verfassungswidrig, urteilte das Gericht. Die Quoren müssten auf 20 bis 30 Prozent gesenkt werden.

Zuvor hatte das Abgeordnetenhaus Mitte Februar die benötigten Stimmen bereits auf 1.100 halbiert. Kleinparteien wie Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP), Piratenpartei und Tierschutzpartei war dies allerdings nicht genug; daher hatten sie wegen der erschwerten Sammelbedingungen im Lockdown eine Organklage eingereicht.

Nun muss das Abgeordnetenhaus nachjustieren. Nach Angaben der SPD im Abgeordnetenhaus wollen alle Fraktionen die erneute Änderung zügig angehen. Eine erste Lesung für die Gesetzesänderung sei bereits für den 25. März geplant. Während der Pandemie dürften dann nach dem Urteil lediglich 440 bis 660 Unterschriften erforderlich sein.

Die Parteien im Abgeordnetenhaus hätten die pandemiebedingt schwierige Lage der kleinen Parteien auf die leichte Schulter genommen, sagt Lars Arnold von der ÖDP, deren Klage sich andere Parteien angeschlossen hatten. „Jetzt müssen sie sich vom Verfassungsgericht belehren lassen, was Chancengleichheit im Sinne des Grundgesetzes bedeutet“, so Arnold, der als Direktkandidat in Charlottenburg-Wilmersdorf antritt. Er hofft auch auf eine Herabsetzung der Hürden bei der gleichzeitigen Bundestagswahl – auch für sie braucht man pro Landesverband 2.000 Unterschriften.

Volt will Digitalisierung

Die Klage der ÖDP hatten neben der Tierschutzpartei und den Freien Wählern auch die bis 2016 im Abgeordnetenhaus vertretene Piratenpartei unterstützt. Der Berliner Geschäftsführer Franz-Josef Schmitt sagte: „Es muss im Moment versucht werden, jeden vermeidbaren Kontakt zwischen Menschen zu unterlassen.“

Kontakte zum Sammeln von Unterstützungsunterschriften auf Papier als bloße Interessenbekundung der Bevölkerung seien angesichts der aktuellen Infektionsdynamik zu vermeiden, so Schmitt. Er forderte von den Fraktionen im Abgeordnetenhaus eine schnelle Gesetzesänderung und kritisierte, dass diese die Hürden nicht gleich deutlicher gesenkt hätten.

Volt hat sich bereits digital aufgestellt – als erste Partei in Berlin überhaupt

Erstmals will in diesem Jahr in Berlin auch die europaweit vernetzte Partei Volt antreten. Auch Volt freue sich über das Urteil, sagte Sprecher Martin Becker der taz. Ihnen sei es allerdings besonders wichtig gewesen, dass digitale Aufstellungsversammlungen möglich seien, was allerdings schon seit der Wahlrechtsänderung durch das Abgeordnetenhaus Mitte Februar der Fall sei. Volt habe sich bereits digital aufgestellt – als erste Partei in Berlin überhaupt. „Wir arbeiten als europaweit vernetzte Partei immer schon digital und können gar nicht anders“, sagte Becker.

Auf Digitalisierung liegt entsprechend auch ein Schwerpunkt im anstehenden Wahlkampf, wie Johanna Drechsel aus dem Volt-Landesvorstand der taz sagte: „Die Pandemie hat gezeigt, dass wir in Berlin vor allem eine Digitalisierung in der Verwaltung und in der Bildung brauchen.“ Ebenso sei in Berlin der Ausbau von inklusiver Mobilität mit Fuß- und Radwegen wichtig sowie im Bereich Wohnen die Entbürokratisierung des Wohnungsbaus.

Bei der Europawahl 2019 wählten in Berlin 16,3 Prozent kleine Parteien. Am meisten Stimmen bekam damals Die Partei mit 4,8 Prozent. Sie lag damit sogar vor der FDP mit 4,7 Prozent. Die Tierschutzpartei holte 2, Volt holte 1,2, die Piraten kamen auf 0,8 Prozent. Die Familienpartei und die ÖDP holten je 0,6 Prozent.

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