AfD-Sympathien eines Bürgermeisters: Schwäbische Suppe in braun?

Auf der Schwäbischen Alb hegt ein Bürgermeister Freundschaften zur AfD. Nun regt sich Widerstand. Doch wie kommt wieder Farbe in die braune Suppe?

Frauke Petry schaut herab in die Kommunen: Vor allem in kleineren Gemeinden macht die AfD von sich reden Bild: rtr

von MALAIKA RIVUZUMWAMI

„Der Schwabe an sich ist einfach ein ganz anderer Menschenschlag als viele andere!“, sagt ein Gast aus dem Publikum. Mitten auf der Schwäbischen Alb herrscht das Prinzip von Ruhe und Gemütlichkeit. Denn das bietet hier nicht nur die Natur, sondern auch die Mentalität der Schwaben.

Der große Saal im Theater Lindenhof in Burladingen-Melchingen ist mit mehr als 110 Personen bis auf den letzten Sitzplatz gefüllt. Die Burladinger haben sich am runden Tisch von taz.meinland versammelt, um mit einem Vorurteil aufzuräumen: sie wollen nicht länger nur für ihren Bürgermeister bekannt sein.

„Es kann nicht sein, dass uns die Angst hindert – das hatten wir schon einmal in Deutschland!“

Harry Ebert ist seit 1999 amtierender Bürgermeister in Burladingen, im Zollernalbkreis. Seine letzte Wiederwahl liegt nun zwei Jahre zurück, allerdings nur mit einer Wahlbeteiligung von 28,2 Prozent. Doch nicht nur die politische Unlust sorgt in Burladingen für Unmut. Denn Ebert macht vor allem mit rechter Hetze auf sich aufmerksam. Mit geteilten Facebook-Posts, auf seinem privaten Account, von Seiten wie „Merkel muss weg“, Aufwachen Deutschland“ oder „Ich bin stolz ein Deutscher zu sein“ stellte er klar, wo er politisch steht.

Landeier im Vollpensions-Internat

Bei der letzten Landtagswahl verbuchte die AfD in Burladingen über 20 Prozent der Stimmen. Nach einem Besuch vom AfD-Abgeordneten Hans Peter Stauch rebellierten die Gemeinderäte: mit einem gemeinsamen Besuch in einer Flüchtlingsunterkunft. Dass sie sich danach auf Facebook von Ebert als „Landeier“ und die besuchte Unterkunft für minderjährige Geflüchtete als „Vollpension-Internat“ beschimpfen lassen mussten, brachte das Fass zum Überlaufen. Seine Stellvertreter sowie zwei Fraktionssprecher legten ihre Ämter nieder, ein Disziplinarverfahren und eine Beschwerde bei der Kommunalaufsicht wurden eingeleitet. Auch sein Rücktritt wird seitdem gefordert.

Höchste Zeit für taz.meinland, sich die Lage vor Ort anzuschauen. Am runden Tisch hatten an diesen Abend Platz genommen: Dörte Conradi, Fraktionsvorsitzende in der Gemeinratsfraktion CDU Burladingen, Bonita Grupp von Trigema, Gregor Götz aus Burladingen-Melchingen, Stefan Hallmayer, Intendant des Theater Lindenhof sowie Rosi Steinberg, Gemeinderatsmitglied Freie Wähler Burladingen und Andreas Hauser, Kreistagsabgeordneter die Linke Zollernalb.

Der Besuch in Burladingen wurde zusammen mit der Stuttgarter Wochenzeitung Kontext organisiert. Moderatorin Susanne Stiefel von Kontext fragte direkt zu Beginn der Veranstaltung: „Was ist denn mit dem ehemals tiefschwarzen CDU-Gebiet passiert? Warum fehlt es hier an Stimmen und Aktionen gegen den Bürgermeister?“

In Burladingen geht die Angst um

Als das örtliche Alpenkino mit Hakenkreuzen beschmiert wurde, ging die ansässige CDU-Partei geschlossen ins Kino. Sie sahen sich „Elser“ an, jenen Film, der vorab für die Nazi-Schmierereien sorgte. Demonstrationen gegen einen möglichen Tagungsort der NPD in der Region sorgten dafür, dass die Räumlichkeiten nun stattdessen für die Unterbringung minderjähriger Flüchtlinge genutzt wird. Doch warum regt sich momentan so wenig Widerstand?

„Wenn Ebert nächste Woche weg wäre, wäre dann alles gut in Burladingen?“

Während Gregor Götz sagt, dass man in Burladingen keine Angst haben muss, schütteln einige im Publikum die Köpfe: „Natürlich haben die Leute hier Angst! Niemand will sich öffentlich outen. Jeder hat Angst vor Sanktionen, dass Pachtverträge nicht verlängert werden oder der Nachbar plötzlich am gemeinsamen Zaun streitet“, meint eine Frau aus dem Publikum. Seit Monaten versucht sie zusammen mit einigen anderen Unterschriften für den Rücktritt von Bürgermeister Ebert zu sammeln. Auf der Liste stehen bisher nur 120 Namen – das sind knapp ein Prozent der Burladinger.

Kaum ein Café, Restaurant oder Lebensmittelladen möchte die Liste auslegen. „Es kann nicht sein, dass uns die Angst hindert – das hatten wir schon einmal in Deutschland. Ich lass mich nicht mehr in die Braune Suppe werfen!“, ruft eine andere Frau aus dem Publikum. Doch wie können sich die Anwesenden von ihrer Angst befreien? Und wo fehlt es Unterstützung von der Politik?

„Eine Große Koalition ist nicht gut für die Demokratie!”

Das Disziplinarverfahren läuft noch. Wann auf eine Entscheidung zu hoffen ist, weiß keiner. Dass es nichts mehr zu schlichten gibt, scheint an diesem Abend die einheitliche Meinung zu sein. „Die Politik hat in den letzten Jahren viele Fehler gemacht und Panik geschürt“, meint Andreas Hauser (Linke). Denn wenn man Themen wie Rente und Gehalt jahrelang in den Hintergrund stellt, muss man sich nicht wundern, dass die Bevölkerung sich aus Zukunftsangst zu Parteien wie der AfD hingezogen fühlt.

Um der Politikverdrossenheit nun entgegenzuwirken, soll die regionale Politik die Ängste aufgreifen und analysieren, um dann ins Gespräch zu kommen. Ein Bürger aus dem Publikum wird noch klarer und wirft ein: „Eine Große Koalition ist nicht gut für die Demokratie!“

Der Phönix aus der braunen Asche?

Der Vorwurf, dass hier viel zu lange politische Gemütlichkeit gelebt wurde, kommt während der Veranstaltung immer wieder auf. Ein Journalist im Publikum fragt: „Hätte man die Miesere nicht früher sehen können? Man muss nicht so tun als wäre der Bürgermeister wie ein Phönix aus der braunen Asche gestiegen. Das ist seine dritte Amtszeit!“ Hätte man, sicherlich.

Seit 18 Jahren ist Harry Ebert schon im Amt und seine Art von Politik sorgt nicht erst seit seiner letzten Wiederwahl für Ärger. Als es 2006 wegen Ausländerfeindlichkeiten zu Schlägereien kam, schwieg er. Als in Burladingen 2012 eine große Gedenkfeier an der Grabstätte der Burladinger Sinti-Familie Reinhardt, die von den Nazis verfolgt wurde, stattfand, fehlte er unentschuldigt. Rosi Steinberg, Freie Wähler, gibt zu: „Es war ein schleichender Prozess, doch wir haben es zu spät erkannt.“ Eine diktatorische Art habe man Ebert aber schon immer angemerkt.

Der schwäbische Messias

„Wenn Ebert nächste Woche weg wäre, wäre dann alles gut in Burladingen?“, fragt eine junge Frau aus dem Publikum. Erst einmal herrscht Schweigen – auch am runden Tisch. Denn wie es weitergehen soll, weiß eigentlich keiner so genau. „Jetzt muss jemand ein Machtwort sprechen und das ist in meinen Augen der Herr Grupp – der König von Burladingen.“ Ob der Trigema-Chef wirklich die Rettung ist, bleibt fraglich. Seine Tochter, Bonita Grupp, appelliert an diesem Abend daran, sich nicht klein kriegen zu lassen.

Dörte Conradi (CDU) hat auch noch keinen Plan für die Zukunft, denn erst einmal müssten die Fakten auf den Tisch. Doch sie möchte betonen: „Burladingen ist nicht braun, sondern lebenswert!“ Die Frage, nach einer politischen Alternative bleibt auch heute Abend offen. Dass die lokale Politik ein schwieriges Pflaster ist, wurde heute Abend deutlich. Denn die Arbeit im Gemeinderat ist ehrenamtlich, oftmals fehlt neben dem Vollzeitjob die Zeit.

Es hat sich aber auch etwas in Bewegung gesetzt: der Pfarrer bietet sich an, die Unterschriften-Aktion zu unterstützen und möchte die Liste in seiner Kirche auslegen. Eine Besucherin möchten sich direkt eintragen und viele fragen nach der Veranstaltung, ob die Liste denn vor Ort wäre. Momentan scheint Burladingen aus seinem schwäbischen Dornfrösschenschlaf zu erwachen.