Affäre um Rolling-Stones-Konzert: Wenn Hamburgs Sozis richtig rocken

In der Affäre um die Weitergabe von Rolling-Stones-Karten in Hamburg wird gegen drei SozialdemokratInnen ermittelt. Staatsrätin Badde nahm ihren Hut.

Kann nicht nur Unterschriften entgegennehmen: Elke Badde (links). Foto: dapa

HAMBURG taz | Wie weite Kreise zieht die Affäre um die Vergabe von Karten für das Rolling Stones-Konzert in Hamburg im September vergangenen Jahres noch? Nachdem der Hamburger Senat am Montag Gesundheits-Staatsrätin Elke Badde (SPD) wegen anhaltender Ermittlungen in den einstweiligen Ruhestand versetzt hat, rollt der Stein nun auf den Ex-Chef des Bezirksamts Nord, Harald Rösler (SPD) und dessen gewählte, aber noch nicht inthronisierte Nachfolgerin Yvonne Nische, zu.

Da die Hauptbeschuldigten alle dasselbe Parteibuch besitzen, frohlockt bereits die Opposition und stimmt die Moritat vom „roten Filz“ an. CDU-Chef André Trepoll nahm sofort Witterung auf, kurz ignorierend, dass die Unschuldsvermutung ein Pfeiler des Rechtssystems ist: Der Bürgermeister habe zu lange, an einer Staatsrätin festgehalten, gegen die „strafrechtliche Vorwürfe im Raum stehen“.

Die lauten: Vorteilsannahme und Verleitung eines Untergebenen zu einer Straftat. Wegen beider Delikte will die Staatsanwaltschaft Badde vor Gericht bringen. Hinter dem Vorwurf der Vorteilsnahme verbirgt sich, dass Badde zwei vom regulären Verkauf ausgenommene Tribünenkarten fürs ausverkaufte Konzert für – einschließlich reduzierter Gebühren – 357,50 Euro gekauft hatte.

Sie stammten aus dem Kontingent von 300 Kauf- und Freikarten, die Rösler, Chef des die Veranstaltung genehmigenden Bezirksamtes, vom Veranstalter „verlangt“ haben soll, um sie „Freunden des Hauses“ anzubieten. Und auch das könnte, so die Staatsanwaltschaft, eine Straftat sein. Schon vor Wochen bestätigte die Staatsanwaltschaft einen „Anfangsverdacht wegen Bestechung oder Bestechlichkeit“ gegen Rösler, der vergangenen Juni in den Ruhestand ging. Denn dessen Behörde hatte mit viel Aufwand und diversen Ausnahmeregelungen dafür gesorgt, dass das Konzert im Stadtpark genehmigt wurde. Doch durfte der Bezirksamtsleiter Freikarten für eine Veranstaltung verlangen, oder auch nur annehmen, die er selbst genehmigen ließ?

Die erste Hamburger Karten-Affäre gab es 2006. Aus Sonderkontingenten bot das Orga-Komitee der Fußball-WM LokalpolitikerInnen und JournalistInnen Stadion-Kauftickets an, die ansonsten vergriffen waren.

Die bevorzugte Behandlung von Politikern und Promis löste Proteste aus, zog aber keine strafrechtlichen Konsequenzen nach sich.

Zudem besuchte Rösler mit seiner Frau selber das Konzert und ließ sich dieses Verhalten nach dem Konzert von Badde in einem auf den 23. August zurück datierten Schreiben am 20. September nachträglich absegnen – ebenso wie die Weitergabe von vier Freikarten an Bekannte. Das Konzert fand zwischen beiden Terminen statt.

Rechtlich könnte sich das als „Verleitung eines Untergebenen zu einer Straftat“ durch Badde erweisen. Gegen Yvonne Nische ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen der Vorteilsannahme und -gewährung. Nische steht im Verdacht, Freikarten unberechtigt angenommen und weitergegeben zu haben. Um wie viele Tickets es genau geht, teilte die Staatsanwaltschaft bislang nicht mit.

Die SPD-Politikerin war am 12. April von der Bezirksversammlung zur neuen Verwaltungschefin gewählt worden. Doch wegen der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wurde das Ernennungsverfahren ausgesetzt. Als dienstälteste Dezernentin leitet Nische das Bezirksamt dennoch – zurzeit geschäftsführend. Sollte auch gegen sie Anklage erhoben werden, dürfte es zur Ernennung gar nicht mehr kommen.

In der SPD hofft man inzwischen, dass die Staatsanwaltschaft schnell über eine Anklageerhebung gegen Nische entscheidet. Eine Filzdebatte mitten im Bürgerschaftswahlkampf wollen die Genossen unbedingt vermeiden.

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