Afrikanische Flüchtlinge in Israel: Leben in der Grauzone

Flüchtlinge aus dem Sudan, die illegal nach Israel einreisen, werden vorübergehend geduldet. Wer es bis nach Tel Aviv schafft, schläft im Park.

35.000 Flüchtlinge aus Afrika sind derzeit in Israel. Bild: ap

TEL AVIV taz | "In Darfur gibt es noch immer Probleme", sagt Achmad Idrirs. "Das Leben dort ist gefährlich." Der 37-Jährige, der aus dem Westen des Sudan stammt, lebt seit drei Jahren in Israel und hat nicht vor, das sichere Asyl voreilig zu verlassen. Die meisten Flüchtlinge kommen aus dem Südsudan und wollen wie Idrirs abwarten, wie sich die Lage in dem Staat, der jüngst seine Unabhängigkeit feierte, entwickelt.

"Jetzt können sie bald wieder zurück", hatte Innenminister Eli Ischai im Zuge von Israels Anerkennung des neuen Staates schon frohlockt. Ginge es nach ihm, dann sollten die rund 9.000 sudanesischen Flüchtlinge lieber heute als morgen ausreisen.

Im Juni bezifferte die Einwohnermeldebehörde mit 2.000 Menschen einen Rekord an illegalen Einwanderern, die über Ägypten kommen. Die meisten werden gleich hinter der Grenze von israelischen Soldaten abgefangen und in ein Auffanglager gesteckt. Einige Hundert bahnen sich unentdeckt den Weg in die Städte.

Möbeltransporte und Autowaschen

In Tel Aviv schlafen die Neuen im Levinski-Park, am südlichen Stadtrand gegenüber dem Busbahnhof, fernab von hübschen Geschäften und Restaurants, Theatern und Konzerthallen. Sie halten sich mit Gelegenheitsjobs, mit Möbeltransporten und Autowaschen über Wasser.

In den Augen der frisch Eingetroffenen hat Idrirs es geschafft. Mit fester Stelle und einem Dach über dem Kopf gehört er zu den Privilegierten. Der 37-Jährige lebt mit seiner Frau und der kleinen Tochter in einer winzigen Einzimmerwohnung im ärmeren Süden von Tel Aviv. Das selbstgebaute Bett dient als Schrank und Sitzecke gleichzeitig. Idrirs Frau, die bei Mc Donalds im Schichtdienst arbeitet, kommt, wie er, aus Darfur.

Die Schicht von Idrirs Putzkolonne beginnt um halb vier Uhr nachmittags. Das lässt ihm morgens Zeit, dreimal die Woche seine Englischkenntnisse aufzupolieren. Er trägt ein dünnes Polohemd, Sportschuhe und einen Rucksack. Mit einer Hand schiebt er sein Fahrrad vor die Teestube der Afrikaner. Hier ist der Straßenstrich der Stadt, es gibt Stände mit billigem Krempel und kopierten Musik-CDs. Drinnen laufen Fernseher, einige Männer rauchen Wasserpfeife.

Prämie für Abschiebewillige

"Ich möchte studieren und dann nach Hause zurück, um meinen Leuten zu helfen." Idrirs spricht mit offenem Heimweh von seinem Dorf, trotzdem hält ihn die Erinnerung an die erlebten Schrecken und Angst vor neuen Kämpfen in Tel Aviv.

Israel nimmt afrikanische Migranten temporär auf, auch wenn sie illegal über die Grenze gekommen sind. Rund 35.000 sind es derzeit im Land. Von den Flüchtlingen sind nur ein paar hundert Privilegierte im Besitz einer Arbeitserlaubnis. Alle anderen leben mit dem "2-a-5"-Visum in einer rechtlichen Grauzone.

"Die Leute stehen offiziell vor ihrer Abschiebung", erklärt Sigal Rosen vom Tel Aviver "Hilfszentrum für ausländische Arbeiter". "Sie können aber erst dann abgeschoben werden, wenn sie dem selbst zustimmen." Manche Flüchtlinge aus Süd-Darfur seien inzwischen bereit zur Rückkehr in ihre Heimat. Im Gespräch ist die Zahlung eines Abschiebegeldes in Höhe von 500 US-Dollar pro Person, um die Motivation zur Ausreise zu erhöhen.

Das Problem bei dem "2-a-5"-Visum ist, dass es keine Arbeitsgenehmigung umfasst. Erst auf gerichtliche Intervention mehrerer NGOs hin konnte ein Urteil erreicht werden, das den Flüchtlingen trotz der Einschränkungen in ihrem Visum ermöglicht, sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Der Rechtanspruch gilt nur so lange, bis das derzeit im Bau befindliche Auffanglager im Negev fertig ist. Dort erst einmal "untergebracht", so argumentiert der Staat, brauchten die Flüchtlinge nicht mehr zu arbeiten.

Idrirs hat von dem geplanten Haftlager für Flüchtlinge "nur gerüchteweise" gehört. "Warum sollten sie mich dorthin schicken", fragt er ungläubig. "Sie haben mich ohne jede Hilfe auf der Straße abgesetzt, da wollen sie mich jetzt, wo ich endlich zurechtkomme, ins Gefängnis stecken?" Vermutlich sind es die Obdachlosen, die die Polizei als Erste einsammelt, sobald die Anlagen fertig sind, was noch in diesem Jahr passieren soll.

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