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Agrarministerium auf AbwegenMetzger feuert Tierschützerin

Die Bundestierschutzbeauftragte Ariane Kari verstand ihren Auftrag darin, „Tieren eine Stimme“ zu geben. Nun endet ihr Vertrag – gegen ihren Willen.

Sieht ihre Entlassung kritisch: Tierschutzbeauftragte der Bundesregierung Ariane Kari Foto: M. Popow/imago

Berlin taz | Das erste Gespräch mit CSU-Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer sei angenehm gewesen, auch über seinen Berner Sennenhund hätten sie gesprochen. So erzählte das Ariane Kari vor einigen Wochen der Zeit. Da war die 38-Jährige noch Bundestierschutzbeauftragte. Ob sie auf dem Posten bleiben würde, den Rainers Amtsvorgänger, der Grüne Cem Özdemir, ersonnen hatte, war offen. Jetzt ist es aus: Am 31. August endet ihr Vertrag. Nicht mit ihrem Einverständnis. Das zeigt ein Schreiben, das der taz vorliegt.

Kari hat es am Montagnachmittag an „Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Tierschützerinnen und Tierschützer“ geschickt. Seit Monaten habe es eine „politische Debatte“ um ihr Amt gegeben, die nun beendet sei, schreibt sie darin. Und dann: „So ging mir vor wenigen Stunden die Mitteilung der Hausspitze des BMLEHs zu, laut der ich das Amt in dieser Legislatur nicht weiter bekleiden darf.“ BMLEH – das steht für Bundesministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat.

Die vergangenen Wochen habe sie genutzt, um eigene „Tierschutz-Empfehlungen auf Basis des Koalitionsvertrages abzugeben“, 27 Seiten lang – sie fügte diese dem Schreiben bei. Sie plädiert darin zum Beispiel für eine Videoüberwachung in Schlachthöfen. Denn die behördlichen Kontrollen reichten nicht.

Sie hält es demnach auch für „außerordentlich wünschenswert“, die Haltungskennzeichnung für Fleisch vom Schwein auf andere Tierarten auszuweiten, also etwa auf Rind und Huhn. Nur so seien „Kaufentscheidungen zugunsten von Produkten mit höheren Tierschutzstandards möglich.“

Mähroboter gefährden Igel

Doch selbst beim Label für Schweinefleisch bekommen die Lebensmittelunternehmen von der Bundesregierung jetzt Aufschub: Statt wie ursprünglich geplant diesen August wird es erst ab März nächsten Jahres kommen. „Wir wollen Regelungen, die sich in der Praxis leicht umsetzen lassen und weniger Bürokratie bedeuten“, hatte Agrarminister Rainer erklärt. Von Hause aus ist er Schlachter.

Kari empfiehlt zudem ein Nachtfahrverbot für Mähroboter. „Das Mähen von Grünflächen durch Mähroboter in der Dämmerung und bei Nacht führt regelmäßig zu erheblichen – teils tödlichen – Verletzungen bei Tieren wie Igeln oder Amphibien“, erklärt sie. Außerdem fordert sie, Tierschutztransporte besser zu regeln – und noch vieles mehr.

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Kari – parteilos, gebürtig aus Pforzheim, Tierärztin und zuvor Vize-Landestierschutzbeauftragte Baden-Württembergs – verstand ihren Auftrag darin, „Tieren eine Stimme zu geben“. Den Job hatte es zuvor auf Bundesebene noch nicht gegeben. Als sie ihn Mitte 2023 begann, erklärte sie, der Posten sei „ein wichtiger Schritt, um den im Grundgesetz verankerten Tierschutz voranzubringen. Denn jemand, der sich institutionell, weisungsfrei und politisch unabhängig für die Belange von Tieren einsetzen kann – das ist etwas Neues“.

Anders gesagt: Der Tierschutz sollte mehr Gewicht bekommen, Kari beraten und aufklären. Ihr Stab: vier Mitarbeiterinnen. Das Jahresbudget eher mager: 482.000 Euro, das sind etwa 0,7 Prozent der knapp 70 Millionen Euro, die von der Bundesregierung im Jahr 2024 für alle Regierungsbeauftragten und ihre Stäbe angesetzt wurden. So steht es in Karis offiziellem Tätigkeitsbericht.

„Tierschutzpolitisches Beben“

Kari organisierte selbst Fachveranstaltungen, erarbeitete sich einen Ruf. Der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, Thomas Schröder, sagt, ihr Ausscheiden komme einem „tierschutzpolitischen Beben“ nahe: „Ariane Kari hat das Amt fachlich und politisch sehr gut ausgefüllt.“ Volker Gaßner, der Vier Pfoten Deutschland leitet, sieht es ähnlich: „Eine derart kompetente und versierte Streiterin für den Tierschutz nicht weiter zu beschäftigen, ist nicht nachvollziehbar und ein herber Schlag.“

Beschämend, dass Rainer nicht die Größe eines Ministers hat

Reinhild Benning, Deutsche Umwelthilfe

Und Reinhild Benning, die bei der Deutschen Umwelthilfe für Agrarpolitik zuständig ist, erklärt: „Es ist beschämend, dass der Metzger Alois Rainer nicht die Größe eines Ministers hat und eine unabhängige Tierschutzberatung wahrnimmt.“ Denn diese zeige Wege aus dem alltäglichen Tierleid. Wer diese „nicht einmal sehen will, zeigt im Grunde Schwäche“, so Benning.

Wie gut aber ist das Wohl der zahlreichen Tiere im Blick, die Fleisch und andere Produkte liefern? Allein im Jahr 2024 sind in deutschen Schlachtbetrieben 48,7 Millionen Schweine, Rinder, Schafe, auch Ziegen und Pferde sowie 693,3 Millionen Hühner, Puten und Enten getötet worden.

Am Dienstag dann sagte Alois Rainer, er wolle am Posten eines Tierschutzbeauftragten des Bundes festhalten – und eine fachlich fundierte Person einsetzen, deren Job „nicht nur gut gemeint, sondern auch gut gemacht sei“. Kari wünsche er „für ihre berufliche Zukunft alles Gute“. Wer auf Kari folgt, ließ Rainer offen.

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8 Kommentare

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  • **Metzger feuert Tierschützerin**

    Die taz-Überschrift passt doch hervorragend.

    Deutsche Umwelthilfe (DUH): „Es ist beschämend, dass der Metzger Alois Rainer nicht die Größe eines Ministers hat und eine unabhängige Tierschutzberatung wahrnimmt.“

    Die "böse" DUH natürlich wieder. Nun ja, einen Metzger zum Bundeslandwirtschaftsminister zu machen ist ja ungefähr so, als ob man einen Fuchs zur Bewachung der Hühner abstellt.

    Aber zurück zur DUH. Ein paar wirtschaftshörige CDU/CSU-Politiker möchten der DUH ja schon seit geraumer Zeit die Gemeinnützigkeit und das Klagerecht aberkennen, denn die DUH engagiert sich für den Klimaschutz, die Erhaltung der biologischen Vielfalt, eine auf Effizienz und regenerativen Quellen basierende Energieversorgung, Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft, saubere Luft, nachhaltige Mobilität und Verbraucherschutz - und gefährdet damit nach Ansicht einiger Unions-"Volksvertreter" die Gewinne der Wirtschaft.

    Mit der Merz-Söder-Union werden wir noch viel "Spaß" haben, ob nun im Umweltschutz, Klimaschutz oder dem "Schutz" der kleinen Arbeitnehmer. Und mit einer 'echten Bundestierschutzbeauftragten' kann der Metzger Alois Rainer ohnehin nichts anfangen.

  • Zitat: Kari – parteilos, gebürtig aus Pforzheim, Tierärztin und zuvor Vize-Landestierschutzbeauftragte Baden-Württembergs – verstand ihren Auftrag darin, „Tieren eine Stimme zu geben“.



    Gut gemacht? Wer soll diesen Job besser machen, als eine Tierärztin?



    Eher ist es so, dass "parteilos" und "Frau" das Problem ist.



    Ernstgemeinter aufrichtiger Tierschutz ist mit der No_CSU/No_CDU nicht möglich, denn die meist männlichen kommerziellen Tierbauern wollen eben nicht, dass ihnen der "blöde verweichlichte Tierschutz" in die Suppe spuckt.



    Daher ist es an den Verbrauchern dieses Ekel-Fleisch abzuwählen und aus den Einkaufswagen, so weit es eben geht, zu verbannen.

  • Unabhängig davon, ob die Beendigung des Jobs jetzt gut oder schlecht ist (ich denke, sie ist schlecht), trägt der Artikel etwas zu dick auf. Weder wird jemand gefeuert, noch endet der Vertrag gegen den Willen von Frau Kari. Sie hat willentlich einen befristeten Vertrag unterschrieben.



    Beim Lesen des Artikels und der Überschriften scheint mir weniger die Information, als viel mehr die Meinungsmache im Vordergrund zu stehn.

  • bitter.. Fleischereiminister entlässt renommierte Tierschützerin, damit jemand anders den Job "gut" machen kann. Kannste dir nicht ausdenken..

  • Ich habe gewisse Schwierigkeiten mit dem Textverständnis.



    Wie kann ein Vertrag gegen ihren Willen enden? Endet ihr Vertrag, den sie folglich auch unterschrieben hat, am 31.08.? So wie ich den Text verstehe, ja. Dass sie gern weitermachen würde, ist eine andere Frage, aber ihr wurde nicht gekündigt. Oder etwa doch? Da würde ich mir mehr sprachliche Präzision und Eindeutigkeit wünschen.

    Dennoch scheint es mir ein schwerer fachlicher Verlust zu sein, dass sie nicht weitermachen kann/darf. Ich hätte mir gewünscht, dass - ich hoffe, ich habe es richtig verstanden - ihr Vertrag verlängert wird. Tierschutz ist wichtig und benötigt eine starke Lobby jenseits von Aktivisten, die in Schlachthöfe einbrechen.

  • Leider kann ich hier meine Meinung über diesen Minister offen legen ....

  • wenn man kein Geld im Haushalt hat muss man sparen, und da kann man nicht jedesmal sagen , ist doch nur ein kleiner Betrag! Es kann einfach nicht weitergehen, das wir nur Geld ausgeben und wirJahr für Jahr mehr direkte oder indirekte Steuer zahlen müssen.

    Selbstverständlich kann jeder Gründe finden , warum hier nicht mehr gespart werden soll. Aber dann bitte auch mit ein Finanzierungsvorschlag, der nicht von Steuergeldern abhängt!

  • Fast erwartungsgemäß, dieses Vorgehen.



    Die Antworten aber auch mit Präzision:



    "Gerade auch der wichtige Runde Tisch zur Lage der Tierheime, den die Bundestierschutzbeauftragte Ariane Kari initiiert hat, bliebe ohne Ergebnis. Das ist besonders bitter vor dem Hintergrund des Koalitionsvertrages und dem Versprechen der CDU/CSU und SPD, Tierheime bei Investitionen zu unterstützen. Dafür wäre das Ergebnis des Runden Tisches eine gute Sachgrundlage zur Entscheidung."



    Quelle f. d. Zitat:



    www.tierschutzvere...aec7de29a63421c961



    Aus der Union via taz-Archiv zit. aus 1995:



    „Wer einen Sumpf trockenlegen will, darf nicht vorher die Frösche fragen.“



    Der bayerische Staatskanzleichef Erwin Huber zu den Plänen der Ministerpräsidenten Stoiber und Biedenkopf zur Abschaffung des ersten ARD-Fernsehprogramms..."



    Herrn Rainers Fingerzeig beinhaltet, dass drei Finger in seine Richtung zeigen.🫵🏻



    Auf die ExpertIn als NachfolgerIn mit großer Kompetenz bin ich gespannt, denn Frau Kari hatte offensichtlich viel bewegt.



    ?Ökolog. Fachfragen & Tierschutzbelange b. Metzger🤔