Air-Berlin-Pilot über Billigflieger: „Kleine Fische werden gefressen“

Nach Air Berlin stellt nun auch Germania den Betrieb ein – obwohl immer mehr Leute fliegen. Ein ehemaliger Air Berlin-Pilot kritisiert die Billigtickets.

Germania stürzt ab

Oder auch: Gar nicht mehr dabei Foto: dpa

taz: Heute Nacht hat die Fluggesellschaft Germania Insolvenz angemeldet – für Sie überraschend?

Janis Schmitt: Nach dem Ausscheiden von Air Berlin und anderen Fluggesellschaften wie Small Planet überrascht eigentlich gar nichts mehr. Die Zeichen standen bei Germania seit Wochen auf Insolvenz. Schon letzte Woche konnten die Gehälter nicht mehr gezahlt werden. Wir alle hatten aber gehofft, dass sich ein Investor findet und die Mitarbeiter ihre Jobs behalten können.

Wie erklären Sie sich, dass aktuell so viele Airlines aufgeben müssen? Es wird doch heute so viel geflogen wie nie zuvor.

Die Nachfrage ist da, allerdings muss man sich anschauen, zu welchen Preisen die Tickets verkauft werden. Für nur fünf Euro durch die Gegend fliegen – das kann nicht die Zukunft sein. Profitabel ist das nicht. Daran sind Germania und Air Berlin nicht unschuldig: Sie selbst haben diese Preispolitik betrieben, die Ryanair oder Easyjet vorgemacht haben.

Die Insolvenzen zeigen auch, mit welch geringen Margen die Fluggesellschaften offenbar arbeiten. Wenn die Kerosinpreise steigen, wird es für sie relativ schnell eng. Die Finanzpolster scheinen zumindest bei den kleinen Gesellschaften klein zu sein. Außerdem sind viele Geräte heute nur noch geleast. Wenn auf der Haben-Seite nichts mehr steht, ist es schwieriger, an Kredite zu kommen.

Welche Gründe waren für die Insolvenz von Germania letztlich ausschlaggebend?

39, ist ehemaliger Air Berlin-Pilot, fliegt heute für die Luftfahrtgesellschaft Walter und ist Sprecher der Vereinigung Cockpit.

Die Suche nach einem Investor wurde bei Germania noch zusätzlich durch einen Rechtsstreit erschwert: Ein Gericht hat dem Sohn des langjährigen Firmenbesitzers Hinrich Bischoff kürzlich 10 Millionen zugesprochen. Das Investor-Geld wäre also erst mal an den Erben geflossen, erst danach in die Rettung der Airline. Außerdem fliegt Germania hauptsächlich in Nischenländer, zum Beispiel in den Mittleren Osten.

Nische hört sich doch nach einem guten Geschäftsmodell an?

Eigentlich ja. Bei weniger Konkurrenz, kann man die Ticketpreise auch zu höheren Preisen anbieten. Andererseits ist man dann auch anfälliger, wenn dort das Geschäft ausbleibt.

Was bedeutet die Insolvenz für die Luftfahrtbranche?

Die großen Fische überleben, die kleinen versuchen ihre Nische zu finden oder sie werden gefressen. Der Austritt von Germania, Air Berlin und anderen zeigt, dass die ganze Branche labil ist. Aber es kann nicht sein, dass auf der einen Seite viel mehr Leute fliegen, auf der anderen Seite die Airlines zumachen müssen.

Wie schätzen Sie die Situation der Mitarbeitenden ein?

Die Trauer und Betroffenheit ist groß. In Münster etwa treffen sich heute Angestellte, um sich gegenseitig beizustehen. Viele dachten, dass Germania nach der Pleite von Air Berlin vielleicht gestärkt hervor gehen würde – ein Konkurrent weniger. Ich weiß von 20 bis 50 Mitarbeitenden, die damals von Air Berlin zu Germania gewechselt sind und nun die zweite Insolvenz innerhalb weniger Monate erleben. Wir hoffen, dass die Mitarbeitenden eine Anschlussbeschäftigung erhalten.

Wo sehen Sie da eine Möglichkeit?

Ryanair ist vor allem auf die Germania-Piloten scharf und hat ihnen bereits Stellen in Aussicht gestellt. Aktuell suchen in Deutschland aber weniger Fluggesellschaften Personal.

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