Akten in der Schublade: 3000 Euro für langen Prozess

Erstmals wurde in Bremen ein Prozess wegen eines überlangen Strafverfahrens geführt. Er endete mit einem Vergleich.

Was ist normal? Die Lager-Dauer von 95 Prozent dieser Akten definiert, was normal ist. Der Rest wird als überlang betrachtet. Bild: dpa

BREMEN | 3.000 Euro erhält eine Frau, die vorm Bremer Oberlandesgericht (OLG) Entschädigung für ein überlanges Strafverfahren gefordert hatte. Acht Jahre lang hatte sich das Verfahren gegen sie wegen der Einschleusung von Prostituierten aus Osteuropa hingezogen – viel zu lange, lautete das Urteil des Vorsitzenden Richters Klaus-Dieter Schromek im ersten Bremer Verfahren dieser Art.

Seit Ende 2011 können Betroffene eine Entschädigung einklagen, wenn ein Gerichtsverfahren „unangemessen lange“ gedauert hat, so das Gesetz. 1.200 Euro sind dabei für jedes Jahr der Verzögerung als Richtwert vorgesehen.

Was „unangemessen lange“ zu bedeuten hat, musste das OLG allerdings erst ermitteln, denn wie lange ein Prozess maximal dauern darf, ist nicht geregelt: „Mit dem Gesetz sollen die Spitzen der langen Verfahren abgeschnitten werden“, erklärte Schromek. Auf dieser Grundlage sehe das OLG ein Verfahren dann als überlang an, wenn seine Dauer die von ungefähr 95 Prozent vergleichbarer Verfahren überschritten hätte. „Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass der Großteil der Verfahren nach 48 Monaten erledigt ist.

In Bremen benötigen 14 Prozent der Verfahren länger, bundesweit sind es 6,9 Prozent.“ Das OLG nimmt die Bundeszahlen zum Maßstab. Das Verfahren der Klägerin hätte sich also statt acht maximal vier Jahre hinziehen dürfen.

Nach dem neuen Gesetz beginnt ein Verfahren dann, wenn ein Verdächtiger Kenntnis darüber erlangt, dass gegen ihn ermittelt wird. Im Falle der Klägerin war das spätestens Anfang Dezember 2003 der Fall, als sie in Untersuchungshaft kam. Im April 2004 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen sie und drei weitere Beschuldigte.

Der Haftbefehl gegen die Frau wurde nach knapp sechs Monaten Gefängnis außer Vollzug gesetzt und zum 1. Dezember 2004 aufgehoben. Erst am 22. September 2011 entschied das Landgericht über die Eröffnung des Hauptverfahrens und lehnte eine Zulassung der Anklage gegen die Frau ab – wegen Verjährung einiger der ihr vorgeworfenen Tatbestände.

Die Gründe der Justizbehörde für die Verfahrensdauer wie die komplizierte Verbindung mit einem anderen Verfahren oder die Fülle von Material in Form einer 30 Leitz-Ordner umfassenden Akte erkannte das OLG zum größten Teil nicht an.

Dies seien allesamt normale Bestandteile eines Verfahrens. Allerdings habe die Verfahrenslänge eine positive Auswirkung auf die Klägerin gehabt, nämlich eine Entlastung durch das Ausfallen der Hauptverhandlung, so Schromek.

Dass sich die Frau nicht den Belastungen dieser Verhandlung hätte aussetzen müssen, könne bereits als Entschädigung gewertet werden, weswegen ein OLG-Urteil „im besten Falle bei 4- bis 4.500 Euro Entschädigung liegen könnte, im schlechtesten Falle lediglich bei der Feststellung des überlangen Verfahrens“. Ein Vergleich in Höhe von 3.000 Euro erschien angesichts dessen allen Verfahrensbeteiligten als angemessen.

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